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Wenn die Brille krank macht

Augenarzt Dr. Andreas Thale warnt vor dem Kauf spezieller Gläser

Von Rebecca Struck
Höxter (WB). Fast jeder dritte Deutsche ist Brillenträger, davon 1,5 Millionen Kinder. Augenärzte aus dem Kreis Höxter warnen neuerdings vor Prismenbrillen, die ohne augenärztliches Attest empfohlen und verkauft werden. Nicht selten führe die Fehlberatung sogar bis hin zu einer Augen-Operation.

Augenarzt Dr. Andreas Thale aus Höxter ist verärgert. »Wir Augenärzte haben festgestellt, dass Patienten zu uns kommen, die aufgrund einer von uns nicht verschriebenen Prismenbrille Probleme bekommen haben. Bei drei Patienten war diese Schädigung bereits so weit fortgeschritten, dass ich sie nur noch zu einer Operation in die Fachklinik nach Göttingen überweisen konnte.«
Prismenbrillen lenken das Bild eines betrachteten Objektes zum Auge hin ab, greifen so laut Berufsverband der Augenärzte in das beidäugige Sehen ein. Sie werden von Augenärzten also nur dann verschrieben, wenn das beidäugige Sehen gestört ist und der Patient starke Beschwerden hat.
Wichtig hierbei sei, dass nicht jedes »verborgene Schielen« der Behandlung bedürfe. Man fände dies bei 70 bis 80 Prozent aller Menschen, zu Beschwerden komme es jedoch bei den allerwenigsten. Unter der Bezeichnung der »Winkelfehlsichtigkeit« umgingen einige Optiker das Gesetz, das die Korrektur einer Augenfehlstellung lediglich den Fachärzten erlaube. So würden vermehrt sogenannte Prismenbrillen verkauft, die laut Dr. Thale einen angenehmen, aber verheerenden Nebeneffekt hätten.
»Natürlich entsteht anfangs ein angenehmes Gefühl, schließlich begradigen diese Brillen die natürliche, leichte Außenstellung der Augen. Was aber nicht bedacht wird, ist, dass die Stärke des Prismas immer weiter gesteigert werden muss. Gerade bei Kindern falsch angewandt sind diese Brillen gefährlich«, betont der Arzt. Das beidäugige Sehgleichgewicht werde durch die stetige Steigerung der Prismenstärke erheblich gestört, im schlimmsten Fall könne diese so ausgelöste Fehlstellung nur noch durch eine Operation korrigiert werden. Ein Prismenglas sei zudem erheblich teurer als ein normales Brillenglas. Krankenkassen steuerten daher einen Betrag zu den Brillen nur dann bei, wenn diese ausdrücklich vom Augenarzt verschrieben wurden.
»Eine Therapie setzt eine Diagnose voraus, und die kann kein Optiker leisten«, versichert Dr. Thale. Er unterstreicht, dass die Gesundheit des Patienten dadurch gefährdet werde und dies eine fahrlässige Handlung sei.
Er betont aber auch, dass Optiker, die sich darüber hinwegsetzten, eine Ausnahme seien. Diese seien ebenso empört und distanzierten sich von den Berufskollegen, teilt der Mediziner mit. Dr. Thale sowie seine Kollegen und andere Optiker warnen davor, leichtfertig mit solchen Empfehlungen umzugehen. Andreas Thale rät vor allem Eltern und verunsicherten Menschen, vor einer solchen Entscheidung den Rat eines Augenarztes einzuholen.

Artikel vom 08.05.2007