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Das Ende einer geheimen Liebe

WESTFALEN-BLATT-Serie Teil 4: In Bad Driburg verließ Prinz Wilhelm seine Caroline

Von Dr. Peter Bonk
Bad Driburg(WB). Zwei Weingläser, die den Barockstil nachahmen, sind Zeugnisse einer Geschichte, die sich um 1790 in Bad Driburg ereignet hat. Es geht um eine geheime Liebe und einen scheinbaren Todesfall.
Aus Gläsern aus Siebenstern hat das Paar möglicherweise getrunken.
Zu Gast in Bad Driburg ist ein Paar, dessen Lebensweg wie ein Märchen anmutet. Es sind dies Caroline von Linsingen, die Tochter eines königlich-hannoverschen Generalstaboffiziers, und der junge Herzog Wilhelm von Clarance, der später im Jahre 1830 als Wilhelm IV. den Thron des britischen Weltreiches besteigen sollte und dessen Tochter die spätere Queen Viktoria sein wird.
Die beiden jungen Menschen lernten sich im April des Jahres 1790 in Hannover kennen, wohin der englische Prinz gekommen war, um seine Sprachstudien zu vervollständigen. Er selbst war 25 Jahre alt und Caroline zwei Jahre jünger. Viele Jahre später schrieb Caroline von Linsingen in einem Brief an ihren Schwiegersohn: »William kam mit meinem Vater. É Am 13. April sah ich ihn zuerst, und schon im Julius wussten wir, dass nur der Tod unsere Liebe enden könne.« Mit weltmännischem Charme umwarb der englische Prinz dieses Mädchen; ob seine Liebe aber so echt war, wie er vorgab, mag dahingestellt bleiben, denn sein Verhältnis zu Caroline hinderte den Prinzen nicht daran, andere Liebesverhältnisse weiter bestehen zu lassen oder neue zu begründen, wie mit einer Schauspielerin in England, mit der er auch Kinder hatte.
Auf den zahlreichen Festen in Hannover kamen sich die Liebenden immer näher, und ein gemeinsamer Beschluss reifte in ihnen heran. Am 21. August 1791 ließen sich Caroline und William in der Nähe von Bad Pyrmont in einer kleinen Waldkapelle von einem schottischen Geistlichen heimlich trauen. Nur wenige Freunde nahmen an der Zeremonie teil. 13 Monate lang konnten die Jungvermählten diese Ehe geheim halten. Als die Sache herauskam, war Carolines Vater nach langem Drängen und Bitten bereit, dieser Verbindung seine Einwilligung zu geben, vorausgesetzt, dass der englische Hof Caroline als Schwiegertochter anerkannte.
Das englische Königshaus aber winkte ab und befahl dem Prinzen, sein Verhältnis mit Caroline zu beenden. Der konnte sich so recht zu keiner Entscheidung durchringen und überließ es seiner geheim angetrauten Frau, sich von ihm loszusagen. Caroline unternahm diesen Schritt aus Liebe zu ihrem Prinzen, hat dafür aber mit ihrem Glück und ihrer Gesundheit bezahlt. »Du wirst einst namenlos glücklich oder namenlos elend sein«, hatte ihr einst jemand prophezeit, und eben der zweite Teil ist eingetreten.
Infolge furchtbarer Gemütserregungen erkrankte Caroline schwer und wurde von ihrem Vater zur Behandlung nach Bad Driburg gebracht. Als die junge Frau nun hier schwerkrank daniederlag, erschien noch einmal Prinz William an ihrem Krankenbett. Als er wohl sah, weiches Leid er angerichtet hatte, bestürmte er Caroline diesmal, niemals in eine Scheidung einzuwilligen und beschwor sie, ihm treu und verbunden zu bleiben. Nur wenige Stunden später allerdings eröffnete er ihr, dass er stillschweigend in eine Scheidung einwilligen werde, wenn sie freiwillig entsage. Dann reiste er ab. Parallelen zu den Royals von heute scheinen rein zufällig zu sein.
Alles das war für die Kranke zu viel. Nervliche Zusammenbrüche, Ohnmachten und Fieber hatten sie an den Rand des Grabes gebracht. Selbst der Driburger Badearzt Dr. Brandis hatte ihr nicht mehr helfen können. Er stellte den Totenschein aus, und die Verwandten von Caroline richteten alles für die Beerdigung.
Wenige Stunden vor dem Begräbnis kamen einem jungen Arzt, einem Dr. Meineke aus Hildesheim, Bedenken, ob Caroline wirklich tot sei. Es gelang Meineke, den Beerdigungstermin um einen Tag hinauszuschieben. Die Scheintote wurde auf ihr Krankenlager zurückgebracht und gab tatsächlich in den folgenden Stunden wieder Lebenszeichen von sich. Erst drei Wochen später ist sie aus ihrer tiefen Bewusstlosigkeit erwacht.
Nach langem Drängen und wohl mehr aus Dankbarkeit denn aus Liebe wurde Caroline die Frau von Dr. Meineke.
Die zerbrochene Romanze mit dem englischen Prinzen, dauernde Krankheiten, die unglückliche Ehe, der frühe Tod des Sohnes, allÔ dies zusammen war wohl Schuld daran, dass Caroline von Linsingen im Alter von 47 Jahren 1815 gestorben ist.
Vielleicht war das Schicksal der Caroline von Linsingen und ihr letztmaliges Zusammentreffen mit dem englischen Prinzen in Bad Driburg - ein Gesprächsstoff, der ja damals in aller Munde war - der Grund dafür, dass weitere Paare mit problematischen Beziehungen das Gräfliche Bad aufgesucht haben. Zu denken ist hier an den sechswöchigen Aufenthalt des Dichters Friedrich Hölderlin mit der Frankfurter Bankiersgattin Susette Gontard im Jahre 1796.

Artikel vom 28.04.2007