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Gaststätte Niedermeier an der Hansastraße: (vorn von links) Kurt Niedermeier, Elisabeth und Anneliese sowie Fritz Niedermeier, dessen Vater das Lokal gründete.

Niedermeier will
Dorfkneipe in
Muckum bleiben

Jubiläumsfeier zum 100-jährigen Bestehen

Von Gerhard Gläsker
Bünde (BZ). 100 Jahre und kein bisschen alt - das trifft auf den Gasthof Niedermeier an der Hansastraße in Muckum zu. Drei Stammtische, der Tanzclub »Feel the rhythm«, der Deutsch-Finnische Verein, der Sozialverband Ennigloh-Muckum, der Kaninchen-Verein, die Marinekameradschaft und nicht zuletzt der »Club 53«, die Oldie-Disco, sorgen für reges Treiben.

»Wir sind und wollen die echte Dorfkneipe bleiben», unterstreichen Anette und Udo Niedermeier, die das Lokal in der vierten Generation führen.
Die 100-jährige Geschichte des Gasthofes beginnt mit dem Bauantrag für eine Gaststätte in Ennigloh Nr. 53 vom Mai 1907. Gastwirt Hermann Büscher, Schwiegervater von Franz Heinrich Niedermeier, der den Gasthof später übernahm und ihm den Namen »Gasthof Jägerkrug« verlieh, eröffnete das Lokal im Herbst 1907. Seit Juni 1913 nahmen Bäckermeister und Gastwirt Johann Friedrich Niedermeier und seine Ehefrau Elisabeth das Zepter des Lokals von ihrem Vater in die Hand.
Friedrich Niedermeier war weit über das Bünder Land hinaus unter dem Namen »Dieger Frittken« bekannt. Dieser Name hatte seinen Ursprung aus dem plattdeutschen Wort »Tiegel gleich Dieger« und »Frittken« gleich Fritz. Im Dieger, einem Stieltopf ähnlich aussehendem Gefäß, der wie heute eine Schnabeltasse aus, wurde Bier erwärmt und als Hausmittel gegen Erkältungskrankheiten von Fritz Niedermeier an seine Gäste »verschrieben«. Um den Geschmack zu verbessern, wurde mit braunem Kandiszucker oder Honig abgeschmeckt. Um die Wirkung noch zu erhöhen, konnte in der Backstube ordentlich geschwitzt werden.
Ein besonderer Leckerbissen kam aus Niedermeier's Backstube: das Schwarzbrot. Mit dem Pferdewagen ging es bis nach Spenge und Rödinghausen, um Backwaren zu verkaufen. Die Attraktion im Bünder Land war der »Ennigloher Tierpark« mit Tieren aus der Umgebung und exotischen Vögeln. Hier traf sich Jung und Alt und sonntags gab es Tanztee zur Musik vom Plattenspieler.
Bis zu seinem Tod 1948 führte Fritz Niedermeier die Gaststätte mit Kolonialwarenladen, Bäckerei und Kohlenhandlung. Dann übernahmen Sohn Kurt und Ehefrau Margarete Niedermeier die Geschäfte. Im Sinne das Vater führte er den Betrieb weiter und bekam auch den Spitznamen »Dieger«. Die Spieler des FC Muckum verbrachten fröhliche Stunden bei Niedermeier und konnten sich mit warmen Wasser nach den Spielen in der Backstube waschen.
Der Geflügelzuchtverein Ennigloh-Muckum gründete sich 1928 im Lokal Niedermeier, von 1967 bis 1971 gab es bereits die Disco »Club 53«. Hier wurden schwarze Scheiben unter anderem von den Beatles, Rolling Stones, Bee Gees aufgelegt. Udo Niedermeier, Friedel Kipp und Dietmar Zentner waren die Gründungsmitglieder.
Aus Altersgründen gab Kurt Niedermeier das Lokal 1988 an das Pächterehepaar Bärbel und Werner Vogel für zehn Jahre ab. In der vierten Generation führen seit 1998 nach umfassender Renovierung Anette und Udo Niedermeier den Familienbetrieb. Im Saal mit Wintergarten, ausgestattet mit Rauchfiltern, können heute 85 Gäste bewirtet werden. Sechs Einzel- und Doppelzimmer sowie ein Appartement stehen für Übernachtungen zur Verfügung. Das deftige, reichhaltige »Westfälische Frühstück« ist weit über die Bünder Stadtgrenzen hinaus bekannt.
Vorweihnachtliche Adventsausstellungen, Silvesterfeier mit Programm, »Muckumer Frühling« mit österlicher Frühjahrsausstellung, »Tanz in den Mai«, Oldie-Disco »Club 53«, Tanztee und »Bünder Tabakdiplom« - das sind Veranstaltungen, die das Traditionslokal mit Leben erfüllen.

Artikel vom 25.04.2007