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Reden statt raufen: Mann sucht Vorbild

Aggressionen, schlechte Noten - Steinhagener begrüßen NRW-Initiative zur Jungenarbeit

Von Annemarie Bluhm-Weinhold
Steinhagen (WB). Jungen sind lautstark und dominant, aggressiv, impulsiv, ungeduldig. Sie sind auch mutig, haben Kraft - doch es ist meist das Negative, das an ihnen, häufig zu Unrecht, wahrgenommen wird. Und deshalb haben es Jungen schwer, viel schwerer als die »sozialen« Mädchen. Das sagt Steinhagens Gleichstellungsbeauftragte Bettina Ruks und sieht sich einig mit dem NRW-Familienministerium.

Der zuständige Minister Armin Laschet startete kürzlich eine Landesinitiative zur Förderung der Jungenarbeit (wir berichteten). Viel besser müsse auf ihre Belange eingegangen werden.
Alarmierend: Jungen - auch wenn sie später die besseren Jobs haben - sind in ihren schulischen Leistungen schlechter als Mädchen. Jeder zehnte Junge deutscher Herkunft verlässt die Schule ohne Abschluss, bei Kindern aus Migrantenfamilien sogar jeder fünfte.
Bernd Grewe, Leiter der Steinhagener Hauptschule, kann diese Zahlen so nicht bestätigen: Ganze drei von 67 Schülerinnen und Schülern des Jahrgangs 2006 blieben ohne Abschluss. Doch auffällig ist, dass der Anteil der Jungen an der Hauptschule zunimmt: War das Verhältnis vor Jahren noch ausgewogen, so sind jetzt gut 60 Prozent eines Jahrgangs männlich, knapp 40 weiblich. Zudem: Mädchen machen die besseren Abschlüsse: Prozentual mehr Schülerinnen gehen aus der 10 B (mit Qualifikation zu höheren Schulen) ab, die Jungen häufiger mit den 10 A-Abschlüssen. »Vielleicht sind Mädchen leistungswilliger«, vermutet Grewe.
Wie auch immer: »Wir dürfen über der Gleichberechtigung und Gleichstellung von Mädchen und Frauen die Jungen nicht vergessen«, appelliert Bettina Ruks, selbst Mutter zweier Söhne (zwölf und 19 Jahre alt). Sie setzt sich für eine neue Jungenpädagogik mit mehr männlichen Einflüssen ein (siehe Extra-Kasten). Nur so können sich Rollenvorbilder ändern: Nur so hat auch der Träumer wieder eine Chance . . .
So unmännlich ist es dabei doch gar nicht, am Herd zu stehen oder zu malen. Zu dieser Erkenntnis kommen Jungen im Haus der Jugend. Nur: Mädchen dürfen nicht zugucken. Aber am Jungentag ist man unter sich, da muss man sich nicht profilieren, da probiert man nicht nur Kochen und Seidenmalerei aus - »da ist alles entspannter, da kann man viel offener und direkter mit den Jungen über ihre Belange und Probleme reden«, sagt Roland Egert. Nicht erst, seitdem nun durch die Landesinitiative mehr Fördergelder angekündigt wurden, sondern seit vielen Jahren bietet er Kurse und Veranstaltungen zur Jungenförderung an (siehe Extra-Kasten).
Gerade zwischen zwölf und 15 Jahren wenden sich die Jungen gezielt den männlichen Mitarbeitern im »Checkpoint« zu, wenn es in der Pubertät um die Selbstfindung und das Grenzen austesten gehe. »Die Jungen haben da eben einen Hang zur Selbstdarstellung, aber mitunter auch eine falsche Selbstwahrnehmung und sind etwa überrascht von ihrer plötzlich gewachsenen Körperkraft, mit der sie noch gar nicht umgehen können.« Ihnen ein Begleiter zu sein, das ist die Leitlinie der Jugendzentrums-Mitarbeiter - nicht die Defizite aufarbeiten, sondern Selbständigkeit und -verantwortung geben: das Selbstbewusstsein, sich aus Raufereien und Gewalt herauszuhalten und Hilfe zu holen, Nein zu sagen, wenn es zum Beispiel ums Trinken geht. Und schließlich: »Wir Mitarbeiter wollen den Jungs natürlich auch selbst Vorbild sein.«

Artikel vom 24.04.2007