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Das Volk riss
die Mauer ein

Schabowski und das Ende der DDR

Rheda-Wiedenbrück (de). Die Begegnung mit einem der einst mächtigen Männer im SED-Staat DDR, Günter Schabowski, vermittelte der Rotary-Club Rheda-Wiedenbrück im (fast) ausverkauften Reethus. Die durch eigenes Erleben über den Fall der Mauer 1989 umfassend informierten Besucher waren ganz Ohr.

Wann schon hört man über den Hergang historischer Ereignisse Einzelheiten aus dem Munde eines Menschen, der diese auslöste? Der Abend brachte nicht nur Einsichten und Unterhaltung, sondern diente auch einem guten Zweck. Das Eintrittsgeld führt der Club sozialen Aufgaben zu.
Der Präsident des Rotary-Clubs, Dr. Heiner Wortmann, eröffnete den Abend mit einem schonungslosen Rückblick auf das Unrechtsregime in der früheren DDR. Er benannte die Leiden der Bewohner hinter dem bewaffneten Zonengrenze und der Berliner Mauer, die Bespitzelung der Menschen, die Allmacht der SED, die Verhinderung der Reisefreiheit und nicht zuletzt die blutige Grenzbewachung mit den Todesschüssen. Unvergessen sind die Leiden der politischen Gefangenen: »Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, einen prominenten Zeitzeugen zu hören«.
Günter Schabowski gehörte zu dem inneren Kreis des Machtzentrums im SED-Staat. Während des Umbruchs war er am 14. November 1989 noch zum Sekretär des Zentralkomitees der SED für Informationswesen und Medienpolitik ernannt geworden. In den Mittelpunkt seiner Ansprache im Reethus stellte er die Grenzöffnung 1989. Er hatte bekanntlich am 9. November während einer vom Fernsehen direkt übertragenen internationalen Pressekonferenz mitgeteilt, dass »ab sofort, unverzüglich« vereinfachte Reisegenehmigungen gelten sollten. Noch in dieser Nacht gaben die Grenzposten nach 28 Jahren auf Druck der Ostdeutschen den Weg in die Bundesrepublik und nach Westberlin frei.
Obwohl jeder Besucher der Rotary-Clubs im Reethus die historischen Ereignisse in Berlin durch Fernsehübertragungen selbst miterlebt hatte, war die Darstellung des Auslösers dieser Entwicklung sehr aufschlussreich. Schabowski hängte seine Verdienste zur Maueröffnung ein wenig tiefer, als ihm zugeschrieben wird und sieht sich lediglich als ein »Werkzeug der Geschichte«. Er führte aus, die Politik Michael Gorbatschows habe in den Ostblockstaaten und auch in der DRK auf allen gesellschaftlichen Ebenen zur Unruhe und Weckung oppositioneller Kräfte geführt. Die Öffnung der Grenzen habe das Ziel gehabt, den Druck abzubauen. Falsch sei die These, der sowjetische Geheimdienst sei im Spiel gewesen. Vielmehr sei es der Druck aus dem Volk gewesen, der die DDR-Führung kurzfristig handeln ließ.
Die Diskussion war heftig und auch kritisch. Ein Gast aus Mitteldeutschland wollte wissen: »Wo ist das ganze Geld aus dem Zwangsumtausch geblieben?« Schabowski blieb die Antwort schuldig.

Artikel vom 25.04.2007