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Tier-Terror mit
Trommelwirbel

»Animal Farm« lebendig gemacht

Von Rainer Maler
Paderborn (WV). In einer englischsprachigen Inszenierung brachte das »Tour de Force Theatre« die »Animal Farm« von George Orwell, berühmt als Verfasser des Romans »1984«, in der Paderhalle zur Aufführung.

Um es vorweg zu nehmen: Die zwei Schauspielerinnen und drei Schauspieler schafften es, mit wenig Kostümierung - mal einem angedeuteten Rabenschnabel, ein paar Eselohren, mal einer Schweinenase und Uniform - einen unterhaltsamen Abend zu gestalten, bei dem die englischen Texte in einer munteren, klaren Sprache lebendig wurden. Auf der Bühne wurden mit wenig Gegenständen wie Lampe, Lehnstuhl, Brettern, Seil die Gebäude der Farm angedeutet - und das genügte.
Das Stück selbst lebte von der Körpersprache der Darsteller. Es wurde gemuht, geblökt, gekämpft, gestelzt, getrabt, gequiekt. Mit wenigen herrischen Gesten flößte das diktatorische Schwein Napoleon Angst ein, mal kam der Terror musikalisch mit dem Trommelwirbel, mal wurden in einem kurzen Monolog von einem Tier Hintergründe der Handlung gestrafft erklärt. Vieles wirkte komisch, amüsant, nie belehrend.
Die Handlung ist einfach. Gemeinsam vertreiben die Tiere den versoffenen Besitzer der »Manor Farm«, benennen sie in »Animal Farm« um, geben sich eine Verfassung. Nach und nach aber verwandelt sich die Idee von Freiheit in ein Terrorregime. Viel wurde nach der Veröffentlichung von »Animal Farm« 1945 über Orwells Kritik am barbarischen System Stalins, über von den Tieren verkörperte Personen wie Hitler, Trotzki diskutiert, inwieweit »Animal Farm« eine Satire auf die Russische Revolution sei.
Das Stück zeigt, dass von der Idee der Rebellion durch egoistisches Machtkalkül einzelner Personen, verkörpert auf der Farm der Tiere durch das Schwein Napoleon, sich die Revolte zwischen Hühnerstall und Pferdekoppel in eine terroristisches Lager mit Gesinnungsschnüffelei, Schauprozessen und Todesurteilen verwandeln kann. Doch wer in der »Animal Farm« nur eine Abrechnung mit dem Stalinismus oder ein Theaterstück für Schüler sieht, hat die Orwell'sche Intention nicht verstanden.
Die Intention des Stückes, ob nun Fabel oder Parabel im klassischen Sinn, kann als warnender Hinweis verstanden werden, wie wenig der Mensch aus geschichtlichen Erfahrungen Lehren zieht. »Animal Farm« zeigt, wie ungezügeltes Machtstreben, Korruption, Personenkult, Bespitzelung sich zu totalitären Systemen mit paranoiden Zügen entwickeln, wie wir sie im ehemaligen Jugoslawien der 90er Jahre ebenso wie in der DDR erleben konnten. Ein Blick in Nachrichtensendungen lehrt, dass das Phänomen »Animal Farm« in Nordkorea wie in manch afrikanischem Staat noch existiert. Somit war George Orwell hat mit »Animal Farm« ein Lehrstück geschrieben, das nichts von seiner Brisanz eingebüßt hat, wenn es so amüsant und feinsinnig umgesetzt wird, wie es dem »Tour de Force Theatre« gelang.

Artikel vom 25.04.2007