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»Ein Autist - aber ohne h«

Janosch malt seinen berühmten Tiger ins Goldene Buch der Stadt

Von Meike Oblau (Text)
und Wolfgang Wotke (Fotos)
Rietberg (WB). Janosch hat genaue Vorstellungen, wie der Pressebericht über seinen Besuch in Rietberg aussehen soll: »Schreiben Sie, ich bin Autist. Aber ohne h!«

Wird gemacht. Doch der Glaube fehlt. Denn wenn Autismus tatsächlich als eine Krankheit gesehen wird, deren klarstes Symptom die Schwierigkeit ist, mit anderen Menschen zu kommunizieren - nein, dann kann zumindest der Janosch, der gestern Abend zu Gast in der »Galerie im alten Gericht« in Rietberg war, auf keinen Fall Autist sein. Denn der 76-Jährige plaudert so charmant drauf los, als habe er sich schon wochenlang auf seine Stippvisite in der Emsstadt gefreut. Er ist eigens aus Teneriffa eingeflogen, um seine Ausstellung zu eröffnen. Aber er ist nicht gekommen, um ausschweifend über Kunst zu philisophieren. »Das kann ich doch gar nicht als Kunst bezeichnen. Das sind einfach Bilder!« Das gibt er jenen Menschen mit auf den Weg, die ihm ihre Interpretationen seiner Bilder mit auf den Weg geben wollen. Janosch ist einfach Janosch. Das Schild, das im Eingangsbereich besagt, dass Janosch keine Bücher signiert - das ignorieren nicht nur die Besucher, nein, Janosch ignoriert es auch. Herrlich unkompliziert und erfrischend ist er, der »Vater der Tigerente«, und wer auf seine Ironie einsteigt, hat eine wunderbare Zeit mit ihm.
Gelegenheit, sich großartig in Rietberg umzusehen, hatte der berühmte Gast kaum, wie seine Lebensgefährtin Ines Striewe verrät: »Wir sind nur einmal die Rathausstraße rauf und runter gelaufen. Aber es ist wirklich schön hier, wir mögen kleine Städte.« Und seine beiden Ziele hat Janosch auch erreicht: eine Wurst wollte er essen und eine Hose kaufen, beides klappte, ehe er sich mit Bürgermeister André Kuper traf, um sich ins Goldene Buch der Stadt einzutragen - und natürlich auch seinen Tiger hineinzumalen. Vor der Galerie warten seine Fans bereits in Scharen. Er hat sichtlich Spaß daran, erstmal durch die Hintertür zu schleichen, die Atmosphäre in der feinen Galerie aufzunehmen. Erst dann setzt der große Andrang ein. Mia Luna (3) aus Wadersloh hat ein Bild für Janosch gemalt, über das er sich sehr freut. Eine andere Besucherin schenkt ihm einen Glücksbringer. Staunend betrachtet Janosch das Treiben um ihn herum: »Wir machen hier eine Zirkusnummer«, freut er sich über die Show. Und der Autist? Der ist ihm immer noch nicht anzumerken. War wohl auch nicht ganz ernst gemeint.

Artikel vom 20.04.2007