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Stahl deckelt den Faulturm

Millimeterarbeit mit 200-Tonnen-Kränen - mehr Strom aus Klärwerk

Von Dirk Bodderas
Rheda-Wiedenbrück (WB). 50 Tonnen Stahl, rund gebaut und mächtig groß, millimetergenau in 16 Metern Höhe auf den Rand eines gewaltigen Betonkübels zu setzen - dafür bedarf es als Führer eines 200-Tonnen-Krans besonderen Fingerspitzengefühls.

Der erste Anlauf schlug fehl, als Heinrich »Heini« Altrogge und Norbert Faltinski von den Firmen Peterburs (Rheda-Wiedenbrück) und Jandt (Bielefeld) den Deckel auf dem neuen Faulturm platzieren wollten. Kann passieren. Also wieder runter damit, einen Ausleger verlängert und ab nach oben. Nachmittags war das Werk vollbracht. Ende Mai soll das »Riesenfass« mit Wasser einer Dichtigkeitsprüfung unterzogen werden.
Dabei war die spektakuläre Aktion nur ein Teil des Klärwerk-Gesamtpakets, das die Stadt Rheda-Wiedenbrück zusammen mit dem Fleischbetrieb Tönnies schnürt. Rund acht Millionen Euro Gesamtinvestitionskosten stehen zu Buche - und dazu gehört nicht nur der neue, 6500 Kubikmeter fassende Faulturm (das Volumen entspricht sechs Einfamilienhäusern), sondern auch ein 2000 Kubikmeter großer Gasbehälter, ein Blockheizkraftwerk mit zweimal 1400-Kilowatt Leistung sowie ein Schlammspeicher (1000 Kubikmeter).
Was die Verwertung von Reststoffen betreffe, liege man voll im Trend, so Tönnies-Geschäftsführer Josef Tillmann gestern. Und in diesen Reststoffen schlummert bares Geld. 11 500 statt zuvor 5000 Kubikmeter Faulbehälterkapazität - da fällt auch deutlich mehr Gas an, womit wiederum die Stromerzeugung in besagtem Blockheizkraftwerk ausgebaut wird. Wolf-Uwe Schneider, Leiter des städtischen Eigenbetriebes Abwasser, geht davon aus, dass zweieinhalb mal so viel Strom wie zuvor produziert werden kann, insgesamt rund 15 Millionen Kilowattstunden. Das reicht, um 3000 bis 4000 Haushalte mit Elektrizität zu versorgen. Allerdings: Das Klärwerk hat bereits einen Eigenbedarf von sieben Millionen Kilowattstunden.
Die Firma Tönnies beginnt mit der Abwasserreinigung bereits auf dem Betriebsgelände. Erst wenn es sauberer sei als das Abwasser von Privathaushalten, werde es zum Klärwerk gepumpt, erklärte Josef Tillmann. Der entwässerte Klärschlamm sei für die Düngung landwirtschaftlicher Flächen sehr gut geeignet - und erheblich besser als Gülle, hieß es. Das schwarz-graue Material wird auf Flächen im Umkreis von bis zu 300 Kilometern ausgebracht.
Mit der Klärwerkserweiterung, die nicht nur den steigenden Schmutzwassermengen des Fleischwerks Tönnies, sondern auch der Stadtentwicklung Rechnung tragen soll, stößt Rheda-Wiedenbrück in neue Dimensionen vor. Der Betrieb dürfte nach dem Ausbau einer der größten in Ostwestfalen-Lippe sein.

Artikel vom 18.04.2007