14.04.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Versteckte »Gourmettempel«

Kantinen und Cafeterien machen heimischer Gastronomie Konkurrenz

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WV). Frühstücksbüffet für knapp vier Euro, das Mittagsmenü - Hirschbraten, Rotkohl, Kartoffelklöße mit Vorsuppe und Dessert - kostet gerade mal einen Euro mehr. Preislich stechen sie fast jede Frittenbude aus, qualitativ müssen sie sich vor kaum einer Hotelküche verstecken: Kantinen, Krankenhaus- und Altenheimcafeterien haben sich zu versteckten »Gourmettempeln« entwickelt.

Als Geheimtipps in Paderborn gelten vor allem die drei Krankenhäuser und das Seniorenheim Westphalenhof. Dessen Geschäftsführer Josef Müller betont: »Das ist gewollt und trägt zur Öffnung des Hauses bei«. Das Frühstücksbüffet gleiche dem eines Dreisterne-Hotels, koste aber nur 3,90 Euro. Mittags speist man für 4,90 Euro. Etwa 50 bis 100 Gäste nutzten täglich, vor allem an Sonn- und Feiertagen, das Angebot, sagt Müller und stellt klar: »Wir sind zwar gemeinnützig, aber der Gastronomiebetrieb wird nicht subventioniert«. Räume und Service für Gesellschaften runden das Angebot ab.
25 Prozent mehr Besucher verzeichnet laut Krankenhaussprecherin Simone Ernst seit dem Umbau im vergangenen Jahr das Café-Restaurant »Ambiente« im Brüderkrankenhaus. Besonders gelobt wird der selbst gebackene Kuchen. Das Mittagessen stellt der Gast sich selbst zusammen. Ebenso wie im Vincenz-Krankenhaus. »Der Preis liegt im Schnitt unter fünf Euro«, sagt Restaurantchef Bernhard Peters. Das Frühstücksbüffet kostet 5,50 Euro. Mehr als 100 externe Gäste kommen täglich.
Ungekrönter König der Paderborner »Geheim-Gastronomen« ist Johannes Freise, Geschäftsführer des Studentenwerks. Er lässt auf dem Campus in der Mensa, einer Pizzeria, dem »Gownsmen«s Pub« - mit seinem weithin bekannten Sonntags-Brunch -, einer Cafeteria mit der Kaffee-Spezialitätenbar »Bona Vista«, dem Restaurant »Mensula« und an der Fürstenallee im Bistro »Palmengarten« täglich bis 7000 Essen servieren. Alle Einrichtungen sind frei zugänglich. Pizzen kosten zwischen 3,60 und 4,20 Euro. In der Mensa zahlen Studenten fürs Hauptmenü 1,40, Bedienstete und Gäste 2,30 Euro. »Jeder Gast, der bei uns isst, finanziert die Sozialleistungen der Studierenden mit«, erklärt Freise.
Auf höchstem Niveau zu moderaten Preisen werde in der als Ausbildungsbetrieb konzipierten »Mensula« gekocht und serviert. Dort speisten schon Ministerpräsidenten und hochkarätige Manager. Gestern gab's für 9,50 Euro Wildlachs mit Zitronenbuttersauce,Ê Bandnudeln und Brokkoliröschen, dazu Amarettoeis mit Espressosauce als Dessert. »Wegen der guten Küche tagt auch die NRW-Rektorenkonferenz am liebsten in Paderborn«, verrät Freise.
Über die Tochtergesellschaft Tectum gehören auch noch das Drei-Sterne-Superieur-Hotel »Campus Longue«, das Restaurant »Rodizio do Brazil« im Ahorn-Sportpark sowie das Hotel »Alte Post« in Brilon zum studentischen Gastro-Konglomerat.
Konkurrenz machen den »hauptberuflichen« Wirten zudem noch zahlreiche angestellte Köche oder Kantinenbetreiber, die nebenbei einen Partyservice betreiben. Gerade an diesem Wochenende, dem Weißen Sonntag, haben auch sie alle Hände voll zu tun.
Zumindest die Behörden halten sich offiziell aus dem Geschäft heraus. Die Kantinen im Kreishaus und Finanzamt bleiben den Beschäftigten vorbehalten. Im Landgericht bekommen allerdings auch Prozessbeteiligte wie Zeugen und Anwälte Kaffee, Brötchen oder Jägerschnitzel.

Artikel vom 14.04.2007