14.04.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Gutachter muss jetzt Wirkung von Burgunder klären

Vorwurf: Trunkenheitsfahrt und Widerstand gegen Polizeibeamte - Analysebericht wird vermutlich teuer

Lübbecke / Pr. Oldendorf (wm). Die Vorwürfe waren schwerwiegend: Betrunken gefahren sein sollte der 35 Jahre alte Pr. Oldendorfer. Und er sollte sich einer Blutprobe in der Polizeistation Lübbecke massiv widersetzt haben.

2,79 Promille Alkohol habe die Blutprobe am 21. Dezember vergangenen Jahres ergeben, zitierte der Staatsanwalt aus den Unterlagen. Der Anordnung, die Blutprobe zuzulassen, sei der Angeklagte nicht gefolgt. Zu den Vorwürfen äußerte sich nicht der Angeklagte, sondern aufgrund der Sprachschwierigkeiten sein Verteidiger.
Danach habe sein Mandant am Tag zuvor mit seinem Schwager bis tief in die Nacht erheblich gezecht. Der Verteidiger betonte insbesondere die problematischen persönlichen Verhältnisse seines Mandanten: Im Herbst vergangenen Jahre habe ihn seine Frau mit den beiden gemeinsamen Kindern verlassen. Der Junge habe eine eigene Wohnung, das Mädchen lebe bei der Mutter, hatte der Angeklagte bei der Datenabfrage des Gerichts erklärt. Und in der Besprechung bei der Hausbank sei ihm erklärt worden, dass er mit Zinszahlung und Schuldentilgung für das gemeinsam gebaute Haus nicht weiter in Verzug geraten dürfe.
Aus Verzweiflung habe er deshalb auf der Tankstelle eine Flasche Wein getrunken. Den Wagenschlüssel habe er nach Angaben des Verteidigers beim Tankstellenpersonal aber abgegeben mit der Bitte, das Auto zu betanken und zu waschen. Die Wirkung des sehr schnell getrunkenen Weines sei so stark gewesen, dass er sich beim Bezahlen nicht mehr an seine Geheimzahl erinnern konnte. Plötzlich sei die Polizei da gewesen, die seinen Autoschlüssel bekommen, den Wagen geprüft und Alkoholgenuss beim Angeklagten festgestellt hätten. Er habe zweimal »pusten« müssen. Und weil beim zweiten Mal der Promillewert drastisch gestiegen sei, sei eine Blutprobe angeordnet worden. An die Rangelei mit den Beamten habe er keine Erinnerung, weil er förmlich einen »Filmriss« gehabt habe.
Der Angeklagte räumte über seinen Verteidiger ein, möglicherweise betrunken auf das Tankstellengelände gefahren zu sein, wollte aber nicht ausschließen, dass ein erheblicher Anteil auf den Restalkohol vom Gelage der Nacht zuvor zurückzuführen sei. Das sah Richter Ulrich Stolte jedoch ganz anders, der auch nach Abzug der »Vortrunkpromille« immer noch einen »neuen« Blutalkoholgehalt von über 1,6 Promille zum Zeitpunkt der Blutentnahme für wahrscheinlich hielt. Dies sah er auch durch die Untersuchungsergebnisse bei der Blutentnahme bestätigt, die u.a. von »sehr starkem Alkoholeinfluss«, »eingeschränkter Denkfähigkeit« und »Orientierungsproblemen« sprachen. Das könne nicht von einer Flasche Burgunder ausgelöst worden sein.
Auch sein Hinweis, ob denn tatsächlich ein Gutachten samt einer teuren Begleitstoffanalyse wirklich erforderlich sei, zog nicht. Damit schlug der Versuch des Gerichtes fehl, das Verfahren mit einer Geldstrafe zu beenden. So muss nun ein Gutachter feststellen, ob der »Sturztrunk« eines Liters Burgunderwein lange nach dem nächtlichen Gelage zuvor tatsächlich zum Promillewert von 2,79 um 14.05 Uhr am nächsten Tag führen konnte. Den Vorwurf des Widerstandes bewerteten weder Richter noch Staatsanwalt als gravierend; es sei niemand verletzt worden.

Artikel vom 14.04.2007