13.04.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Prozess unter Polizeischutz

Vergewaltigung und Geiselnahme: Kurde vor Gericht

Gütersloh/Bielefeld (hz). Vor dem Gerichtssaal war ein großer Metalldetektor aufgebaut, Justizwachtmeister kontrollierten penibel jeden Besucher, Polizisten mit Schlagstöcken an den Hüften sicherten zusätzlich das Terrain - unter ungewöhnlich scharfen Sicherheitsvorkehrungen hat gestern im Bielefelder Landgericht ein Prozess gegen einen Gütersloher Kurden stattgefunden.

Anlass war das Aufeinandertreffen von zwei Jesidenclans vor der III. Großen Strafkammer. Der 27-Jährige aus Gütersloh war angeklagt, im Herbst und Winter des Jahres 1999 seine aus der anderen jesidischen Kurdenfamilie stammende Ex-Verlobte vier Wochen lang entführt und dabei zweimal vergewaltigt zu haben. Die Taten sollen in der Gütersloher Wohnung des Bruders des Angeklagten sowie in der Wohnung seiner Eltern in Senden stattgefunden haben. Einmal soll der 27-Jährige die heute 25-Jährige mit gezückter Gaspistole zum Geschlechtsverkehr gezwungen haben.
Hintergrund soll laut Anklage von Staatsanwältin Nina-Carolin Sommerfeld die Rache für eine offenbar geplatzte Zwangsheirat gewesen sein. Die junge Frau ist die Cousine des Angeklagten und soll dem Gütersloher Jesiden im Rahmen einer arrangierten Ehe versprochen worden sein. Doch schon 1996 habe man die Hochzeit abgesagt und die Verlobung mit der damals Minderjährigen gelöst.
Ob das wirklich alles so gewesen ist, bleibt unbewiesen. Die III. Große Strafkammer hat gestern den Gütersloher Angeklagten, der die Vorwürfe der Vergewaltigung und Freiheitsberaubung strikt abgestritten hatte, freisprechen müssen. Grund: Die 25-Jährige, die mit ihrer Strafanzeige gegen ihren Cousin den Fall überhaupt erst ins Rollen gebracht hatte, machte gestern vor Gericht vom gesetzlich verankerten Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, keine nahen Verwandten belasten zu müssen. Weitere Aussagen von Angehörigen der beiden eng miteinander verwandten Jesidenclans brachten gestern vor der III. Großen Strafkammer ebenfalls keine verwertbaren Ergebnisse.
Selbst das Protokoll einer vorangegangenen richterlichen Vernehmung, bei der die 25-Jährige ihren Cousin schwer belastet haben soll, konnte nicht in den Landgerichtsprozess eingeführt werden. Nach Meinung des Kammervorsitzenden Reinhard Kollmeyer war die rechtliche Belehrung der jungen Jesidin nicht korrekt gewesen, ihre damalige Aussage somit nicht für die Große Strafkammer zu verwerten.

Artikel vom 13.04.2007