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Naturtalent: »nach Gefühl« zur Bestzeit

Solbad-Spitzenläuferin Ilona Pfeiffer beeindruckt mit Leistung - und geringem Trainingsumfang

Von Gunnar Feicht (Text und Fotos)
Altkreis/Dissen (WB). Sobald Ilona Pfeiffer »Gas gibt« und davonprescht, reiben sich die Konkurrentinnen die Augen - die schnelle Frau vom LC Solbad Ravensberg eilt auf den Langstrecken von Sieg zu Sieg. Geradezu sprachlos reagieren die Experten jedoch, wenn die 31-Jährige von ihrem Trainingspensum erzählt: »Ich laufe nach Gefühl, so richtig gezielt trainiere ich eigentlich selten. Es gibt Wochen, da bin ich nur 40 oder 60 Kilometer unterwegs.«

Und trotzdem zählt die gebürtige Weißrussin, die seit 1999 in Deutschland lebt, zur erweiterteten nationalen Spitze, nimmt es am Samstag beim hochkarätige besetzten Paderborner Osterlauf über 10 km mit der deutschen Elite auf, strebt am 6. Mai bei den Deutschen Marathon-Meisterschaften in Mainz - absolut realistisch - eine Platzierung um Rang fünf an. »Der Haushalt, die Familie mit den zwei Kindern, oft gibt es so viel zu erledigen - da bleibt wenig Zeit zum Training«, sagt die Hausfrau und Mutter. Spontaneität ist Trumpf. Bei »Coach« Bernhard Hippler klingelt manchmal gegen 22 Uhr das Telefon: »Chef, hast du Zeit für eine Runde?« Und dann schwingt er sich aufs Fahrrad und spendet für das Spättraining das nötige Licht.
Vor dem großen Ziel Mainz wird jetzt gezielter trainiert. Samstag soll die 10-km-Bestzeit deutlich unterboten werden. Nach dem jüngsten Glanzstück, dem Sieg beim Steinfurt-Marathon in Altkreis-Rekordzeit trotz Regen, Wind und Kälte, ist die 35-Minuten-Grenze vielleicht schon fällig. Bei den Deutschen Crossmeisterschaften im März verpasste Ilona Pfeiffer den dritten Rang in der Frauen-Hauptklasse nur um fünf Sekunden gegenüber Profi-Triathletin Christiane Pilz aus Rostock. »Wenn sie so intensiv trainieren würde wie die Deutsche Meisterin Sabrina Mockenhaupt, dann gehörte Ilona wahrscheinlich zur internationalen Spitze«, glaubt Bernhard Hippler.
Mockenhaupt, Mikitenko & Co. laufen im Schnitt rund 150 km die Woche, verdienen über Preisgelder und Werbeverträge ihr Geld. Ilona Pfeiffer schöpft die Kraft, mit der sie auch die meisten Männer abhängt, aus anderen Quellen:
Die pure Freude am Laufen: Nach der Geburt von Tochter Evelyn war der Bewegungsdrang im August 2004 nicht mehr zu stoppen: »Ich hatte einfach Langeweile, musste zum Ausgleich etwas tun«, erinnert sich Ilona Pfeiffer. Auf den Rat ihres Mannes hin stellte sie sich beim Lauftreff Dissen vor, fühlte sich in der Gruppe bald pudelwohl - »auch wenn ich beim ersten Mal nach fünf Kilometern total aus der Puste war«. Als die flinke Frau schnell von den Nachzüglern in die Spitzengruppe vorstieß, bestritt sie im Herbst 2004 beim Meller Volkslauf ihren ersten Wettkampf, wurde über 11 km in 56 Minuten auf Anhieb Zweite und eilt seitdem von Bestzeit zu Bestzeit.
Gesunder Ehrgeiz und Wettkampfhärte: So locker und spielerisch sie das Training gestaltet, so »ernst« wird's im Wettkampf: »Wenn die anderen am Start stehen, plaudern und scherzen, dann bin ich meistens schon ganz still, konzentriere mich auf das Rennen und die Zeit, die ich laufen will.« Weil sie mittlerweile auch schon regionale Größen wie Kirsten Heckmann, Gisela Steinbeck und Karin Schmalfeld geschlagen hat, orientiert sich die Solbaderin oft an der männlichen Konkurrenz. Beim »Strongman« in Münster, dem knüppelharten Hindernisrennen, ließ sie sogar Ingo Assmann, den Hermannslauf-Sechsten des Jahres 2005, hinter sich.
Und in Steinfurt, da war die für sie selbst überraschende Marathon-Bestzeit dem packenden Zweikampf um den Frauen-Sieg mit Silvia Krull von der LG Lage-Detmold zu verdanken: »Zwischen Kilometer 30 und 40 sind wir fast ständig Kopf an Kopf nebeneinander gelaufen.« Ein stummer Zweikampf (»Wenn ich im Wettkampf laufe, dann bin ich stur«), den Ilona Pfeiffer dank eines langen Spurts schließlich mit 14 Sekunden Vorsprung für sich entschied. »Und danach durfte ich dann mein erstes Autogramm geben«, lächelt sie.
Solche Erlebnisse motivieren die so leistungsstarke Hobbysportlerin. Sie braucht die Abwechslung der vielen Wettkämpfe, wird im Sommer auch wieder für die Zweitliga-Triathlonmannschaft des Triteams Dissen starten. Und den Hermannslauf-Sieg, Ostwestfalens Krone des Langstreckensports, wann will sie die erobern? »Dazu ist in einem der nächsten Jahre noch Zeit. Diesmal aber ist die Chance auf eine gute Marathon-Platzierung bei den ÝDeutschenÜ besonders groß - und die möchte ich nutzen.«

Artikel vom 06.04.2007