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Polizisten stehlen wie die Raben

Aufklärungsaktion im Marktkauf - Kunden machen es Dieben leicht

Von Jörn Petring (Text und Foto)
Bünde (BZ). Wer Verbrechen aufklären will, muss die Welt durch die Augen des Täters sehen. Wo ist mein Opfer? Wann schlage ich zu? Diese Fragen beantworten nicht nur Profi-Taschendiebe instinktiv. Mit einer eher unkonventionellen Aufklärungskampagne überraschten die Polizeibeamten Dirk Hüsemann und Fritz Drewes Kunden im vorösterlichen Einkaufsstress. Die Hauptkommissare klauten, was das Zeug hielt.

»Das ist ein typischer Fall«. Dirk Hüsemann deutet schon aus der Ferne auf sein nächstes Opfer. Zumindest farblich harmonisierte der Polizist mit seinem Umfeld: Gelbes Hemd, grüne Krawatte, das sind auch die Töne, die in der Bünder Marktkauf-Filiale, die an diesem Tag gleich mehrfach Tatort ausgeklügelter Taschendiebstähle ist, dominieren. Aber auch ohne diese natürliche Chamäleontarnung wäre Hüsemann im Einkaufstrubel als Taschendieb erfolgreich gewesen. »Wo Menschenansammlungen aufeinander treffen und Gedränge herrscht, ist Diebstahl ein Kinderspiel«, weiß Hüsemann und macht es eindrucksvoll vor. Und zwar an der Gemüsetheke: Das Ehepaar, beide schon im Rentenalter, konferiert gerade über die richtige Konsistenz der Zitronen, die beim bevorstehenden Festtagsschmaus die geschnetzelten Schweinefilets verfeinern sollen. Hüsemann schlägt zu, ohne zu zögern: Noch immer dreht das Paar dem Einkaufswagen den Rücken zu. Und der ist nicht nur mit Schweinefilets, Dosen- Champignons und Toilettenpapier bestückt. Wäre der Hauptkommissar tatsächlich ein Dieb, hätte der Festessen wohl vorerst ausfallen müssen, denn spätestens an der Kasse hätte sich die entsetzte Kundin, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte, gefragt: »Wo ist eigentlich meine Handtasche geblieben?« Was folgte, wäre die Erkenntnis: »Oh, da war jetzt wohl auch das Portemonnaie drin.« Soweit lässt es Hüsemann aber nicht kommen. Unmittelbar nach seinen Diebstählen stellt sich der Polizist den sichtlich verlegenen Kunden. Und als wären die gerade über eine rote Ampel gefahren oder beim Falschparken erwischt worden, wird zugleich nach Ausreden gesucht: »Eigentlich lasse ich meine Handtasche nie im Einkaufswagen É«. Achtlosigkeit beim Einkauf hat nichts mit dem Alter zu tun. Denn auch rund um die Kühlregale, hier treffen sich Kunden der Generation »Mikrowellen-Pizza«, beobachten die Beamten das gleiche Verhalten. Lose baumelt die modische Kunstleder-Handtasche am Griff des Einkaufswagens. Im Vorbeigehen nimmt Hüsemann die Tasche auf und ergattert wieder ein Portemonnaie. Das inszenierte Verbrechen bleibt auch hier unbemerkt.
Wohl ein Dutzend Handtaschen hätten Dirk Hüsemann und Fritz Drewes mitgehen lassen können. »So dreist wäre aber wohl kein Taschendieb«, meint Hüsemann. So seien im vergangenen Jahr im Innenstadtbereich nur sehr vereinzelt Taschendiebe gesichtet worden. Hüsemann:Ê»Uns wurden etwas sieben Fälle gemeldet.« ÊAufklärungsarbeit schadet trotzdem nie.
Für alle »Opfer« hatten die Beamten deshalb auch noch einige entscheidende Tipps parat: Bargeld, Kreditkarten und wichtige Dokumente sollten ausschließlich in geschlossenen Innentaschen getragen werden. Außerdem sollten Einkäufe und Gepäck immer im Auge behalten werden. Ê

Artikel vom 10.04.2007