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Nicht alle Schüler werden Fußballstars

Ein Patennetzwerk hilft Jugendlichen mit Migrationshintergrund bei ihrer Orientierung

Brackwede (mp). Wenn es um die Vergabe von Ausbildungsplätzen geht, sind meistens Gymnasiasten und Realschüler an der Reihe. Hauptschüler haben oft schlechtere Karten - besonders dann, wenn sie aus Familien mit »Migrationshintergrund« stammen. Doch gerade für diese Jugendlichen gibt es Dank eines interkulturellen Patennetzwerkes jetzt einen Lichtblick.

An der Brackweder Marktschule macht sich der Einsatz dieses Netzwerkes bereits positiv bemerkbar: Acht ehrenamtlich engagierte Studenten und Berufstätige, selbst in fremden Kulturen beheimatet, übernehmen hier als Paten Vorbildfunktion für die 40 Schüler der beiden achten Klassen. In Einzel- und Gruppenangeboten stellen sie sich als Gesprächspartner zur Verfügung, um deren berufliche und persönliche Orientierung zu fördern.
Warum sie das tun? »Ich habe in Brasilien ein Abitur gemacht, das in Deutschland für mein Studium nicht anerkannt wurde. Damals bekam ich viel Hilfe von deutschen Freunden«, erklärt die 25-jährige Diplom-Pädagogin Girlene Neves aus Brasilien. »Davon will ich jetzt wenigstens einen Teil zurückgeben.« Tolga Yilmaz, 27-jähriger Student der Wirtschaftsmathematik mit türkischen Wurzeln, sagt: »Ich will erreichen, dass jugendliche Schüler in der Berufsvorbereitung einfach früher motiviert und informiert sind.«
Zehn der 40 Schüler, um die es hier geht, haben die Chance, die sich aus diesen Gesprächen ergeben können, offenbar erkannt: Sie kommen seit Juni 2006, als das Projekt startete, regelmäßig zu den 14-tägigen »Sprechstunden« mit den Paten. Hier geht es dann um das Herausarbeiten der eigenen Stärken, um das Vermitteln preiswerter Nachhilfestunden, um Beratung auf der Praktikumssuche, das Konkretisieren von Berufsbildern, um die generelle Berufsfindung und vieles mehr. »Es geht auch darum, eine gewisse Ernsthaftigkeit zu erzeugen«, erklärt Marktschullehrerin Hella Bubenzer. »Viele Schüler sehen das Angebot anfangs noch als Spaß an. Sie sagen, dass sie Fußballstar werden wollen. Später sind sie dann froh, wenn sie Perspektiven als Zweirad-Mechaniker haben.«
Kojie Ali (16) wollte Uhrmacher werden. Zusammen mit den Paten fand er heraus, ob sein Abschluss dafür ausreicht, welche Voraussetzungen er braucht, wie er sich am besten darauf vorbereitet. Jetzt weiß er: »Ja, wenn ich mich anstrenge, kann ich es schaffen.« Esra Kus (14) wollte eigentlich Tischlerin werden, macht aber jetzt ein Praktikum als Erzieherin im Kindergarten.
»Die Paten arbeiten bei den Schülern mit persönlicher Nähe oft Defizite auf, von deren Existenz die Eltern gar nichts wissen«, sagt Hella Bubenzer. Das Projekt, das vom Bildungszentrum Mozaik Consulting getragen und von der Gemeinnützigen Personalentwicklungsgesellschaft (REGE mbH) finanziert wird, endet am 31. Juni. Eingebunden in die Beratung sind neben der Marktschule auch die Lutherschule und der Tamilische Kultur- und Bildungsverein.

Artikel vom 05.04.2007