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Wort zum Sonntag

Heute von Diakon Klaus Herbrand

Klaus Herbrand ist Diakon in der katholischen St. Anna Gemeinde, Stahle.

Dem Papst, so erzählt eine neuere Legende, wurde nach langem Drängen von Gott ein kurzer Blick in den Himmel gewährt. Die ganze vatikanische Theologenschar wartete ungeduldig, was der Papst von dieser einmaligen Schau würde zu berichten wissen. Langes, beunruhigendes Schweigen. Erst nach intensivem Drängen seiner Mitarbeiter bekannte der neugierige Papst vorsichtig und zögernd: »Es ist unglaublich, es ist unglaublich, es ist unfassbar: Sie - ist - schwarz!«
Ostern zu feiern, oder besser: Auferstehung zu feiern, heißt auch, Gottesbilder hinter sich zu lassen, wenn sie uns blockieren und sich deswegen tödlich auswirken können. Es ist eigenartig, und das ist jetzt keine Legende, sondern verbürgt, dass ausgerechnet jener Papst, der nur einen Monat regierte, Johannes Paul I., bei einer Generalaudienz auf dem Petersplatz äußerte, was noch kein Papst vorher zu sagen gewagt hatte: »Gott ist nicht nur Vater. Er ist auch Mutter.«
Ich möchte an diesem Tag nicht auf die Aufregung eingehen, die durch diese Aussage im Vatikan ausgelöst wurde. Die Reaktion der Theologen war, dieses Wort schnell wieder in die Enge eines dunklen Grabes zu verstecken. Gott als Vater und Mutter, das erschien ihnen zu ungeheuerlich und zu gefährlich.
Gott aber ist noch viel mütterlicher, noch viel mitleidiger, noch viel zärtlicher, noch viel verständnisvoller als die beste Mutter. Schon deswegen müssen wir uns fragen, warum wir für Gott bislang nur männliche Bilder verwendet haben? Ich denke, da ist viel im Spiel, das mit der Frohen Botschaft Jesu nichts zu tun hat oder ihr sogar eindeutig entgegensteht: Das Mannsein ist in unserer Vorstellung immer mit Macht, das Frausein mit Ohnmacht verbunden. Wenn Gott auch Frau und Mutter ist, dann denken wir unwillkürlich an einen Gott, der zwar voller Mitleid sein kann, letztlich aber doch ziemlich saft- und kraftlos ist.
Und doch denken wir bei »Frau« und »Mutter« auch an »Leben schenken«. Welches Bild von Gott könnte - zumal an Ostern - positiver, aktiver, erlösender sein als der Gedanke, dass von ihm neues Leben ausgeht. Ist das nicht genau die Botschaft des Ostermorgens? Neues Leben! Ja, das wird die Errungenschaft dieses Jahrhunderts und unseres Jahrtausends sein: Die Zärtlichkeit, die Liebe und die mütterliche Fürsorge Gottes als eine wesentliche Eigenschaft wiederzuentdecken.
Diesen mütterlichen Gott feiern wir an diesem Wochenende. Wir feiern mit der Auferstehung Jesu die Zärtlichkeit Gottes, die das Leben, das im Tode verborgen ist, neu erstehen lässt. Nein, ein rein männlicher Gott genügt schon lange nicht mehr. Was die Welt im 21. Jahrhundert braucht, ist ein Gott, der den ganzen Reichtum jenes Lebens auszudrücken vermag, der im Herzen der Menschen, seien es Männer oder Frauen, verborgen ist. Jenes Leben, das er selbst in den Menschen hineingelegt hat. Gott muss für uns deswegen alles sein: Zärtlichkeit und Kraft. Mitleid und Kreativität. Autorität und Zuwendung. Es ist höchste Zeit, dass wir jetzt die nötige weibliche Ergänzung erfahren und an dieser Energie entlang unseren Glauben festmachen.
Ich wünsche Ihnen von Herzen gesegnete Ostertage.

Artikel vom 06.04.2007