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»Mikado« ist gefährliches Spiel

44 Großmaschinen und 61 Männer beseitigen Sturmschäden in der Egge

Von Frank Spiegel
Kreis Höxter (WB). 250 000 Festmeter Holz hat Orkan »Kyrill« am 18. Januar im Bereich des Forstamtes Bad Driburg abgeknickt wie Streichhölzer. 44 Großmaschinen und 61 Männer an Motorsägen kämpfen sich derzeit in der Egge durch das gigantische »Mikado«, das einmal ein Wald war.

13 Vollernter, so genannte Harvester, nehmen die abgeknickten Bäume in die Zange, entasten sie vollautomatisch und schneiden sie auf die gewünschte Länge, die das Forstamt vorgibt. Darüber hinaus sind auch Bagger, Schälmaschinen, Rückefahrzeuge und Bündler, die das Astwerk in komprimierte »Pakete« pressen im Einsatz. Wo der Harvester nicht eingesetzt werden kann, ist Handarbeit gefragt -Êund die ist extrem gefährlich. »Bei einem Schadensereignis dieser Größenordnung könnte es rein statistisch zu 30 bis 40 tödlichen Unglücksfällen bei den Waldarbeitern kommen«, weiß Hans-Jörg Müller, stellvertretender Leiter des Staatlichen Forstamtes. Mit Hilfe der Technik gehe man deshalb auch bei der Arbeit mit der Hand-Motorsäge immer auf »Nummer sicher«. »Damit eventuell unter Spannung stehende Bäume keine Arbeiter verletzen können, werden sie von einem Bagger mit Greifarm fixiert, wenn der Arbeiter die Säge ansetzt«, erklärt der Forstdirektor. Wie Michael Reinecke, Leiter des Schaden-Lagezentrums im Staatlichen Forstamt Bad Driburg, ergänzt, seien zudem erfahrene nur Arbeitskräfte eingesetzt. Diese stammten unter anderem aus Osteuropa und hätten schon in Süddeutschland und Südschweden bei der Beseitigung von Sturmschäden geholfen. Bis zum Herbst würden die Arbeiten noch dauern, glauben die Fachleute.
Das Holz im Revier Torfbruch zwischen Neuenheerse, Kleinenberg und Willebadessen -Êhier hat »Kyrill« besonders schlimm gewütet -Êwird zum Großteil auf einem zentralen Platz gelagert. »Es wäre falsch, wenn wir das Holz nun mit einem Mal verkaufen würden. Dann gingen die Preise in den Keller«, klärt Forstdirektor Ernst-Heinrich Uber, Leiter des Staatlichen Forstamtes Bad Driburg, auf. Damit der Borkenkäfer die Fichtenstämme nicht als gefundenes Fressen annimmt, werden diese vor der Lagerung geschält. Uber: »Denn ohne Borke geht auch der Käfer nicht an den Baum.« Eine andere Methode sei es, das Holz in Plastikfolie zu packen. »So bleibt es ebenfalls frisch«, haben sich Uber und seine Mitarbeiter bei einem Holzhändler in der Rhön, der diese Methode anwendet, persönlich überzeugt. Die Hälfte des Sturmholzes sei bereits verkauft, für ein weiteres Viertel hätten Händler schon eine Option vereinbart. Nach und nach werde das Angebot nun an den Markt gegeben, um so den Holzpreis nicht in den Keller stürzen zu lassen.
Bei den Aufforstungsarbeiten will das Staatliche Forstamt nicht allein auf Nadelholz setzen. »Das wäre ökologisch und auch ökonomisch nicht sinnvoll«, weiß Ernst-Heinrich Uber. Gepflanzt würde Eichen und Buchen aber auch Fichten sowie Douglasien. »Wir forsten jedoch nicht flächendeckend auf«, berichtet Uber. Das würde 20 000 Euro pro Hektar Fläche kosten. Der Forstdirektor: »Bei 700 aufzuforstenden Hektar wäre das viel Geld.« Das Forstamt setze vielmehr auf die so genannte Naturverjügung und wolle Bäumen, die sich selbst ausgesät hätten, eine Chance geben.
Eine Gefahr für Spaziergänger im Wald bestehe nicht. »Jedenfalls, so lange sie sich intelligent verhalten«, meint Ernst-Heinrich Uber. Dass sich in Lebensgefahr begebe, wer zwischen umgekippten Bäumen herumkrabbele, müsse jedem klar sein. Die Fachleute setzen auf den gesunden Menschenverstand und appellieren in diesem Zusammengang auch an Eltern, dass auch die Holzstapel kein Spielplatz seien.
Stämme seien zum Teil mit Zwischenräumen aufgestapelt worden, damit die besser trockneten. »In die Zwischenräume zu kriechen oder auf die Stapel zu klettern, kann lebensgefährlich sein«, warnen sie.

Artikel vom 29.03.2007