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Ausstellung ist
ein Happening

Nach Paris in Hannover zu sehen

Von Sabine Glaubitz
Paris (dpa). Die Werke von Daniel Spoerri, Yves Klein, César, Arman, Tinguely und Niki de Saint Phalle haben auch dreißig Jahre später nichts von ihrer Aussagekraft und Gesellschaftskritik verloren.

»Neuer Realismus« heißt die Ausstellung, die das Pariser Grand Palais einer Bewegung widmet, die Ende der 50er Jahre als Reaktion auf die Konsumgesellschaft entstanden ist. Die 200 Werke, darunter Gemälde, Skulpturen und Installationen sind von heute an bis zum 2. Juli zu sehen. Die Ausstellung, die so vielfältig ist wie die Bewegung selber, wird danach vom 9. September bis zum 27. Januar 2008 im Sprengel-Museum in Hannover gezeigt.
Der Neue Realismus hat nur mehr als zehn Jahre gedauert und ist eine Bewegung um jene Künstler, die am 27. Oktober 1960 mit Pierre Restany die Gründungserklärung der Neuen Realisten unterschrieben haben wie Arman, François Dufrêne, Yves Klein, Daniel Spoerri, Jean Tinguely, César. Niki de Saint-Phalle, Gérard Deschamps und Christo schlossen sich später der Bewegung an. Keiner der Gründungsmitglieder fehlt in der Ausstellung, die die größte ist, die Frankreich in den vergangenen 20 Jahren dieser Kunstrichtung gewidmet hat, die um ein neues Verständnis von Realität bemüht war.
Die Gruppe, die sich 1971 offiziell auflöste, trat für ein Kunstkonzept ein, dass im Gegenzug zur abstrakten und informellen Kunst die Gegenstandswelt durch Aktions- und Objektkunst und Happenings wieder in den Mittelpunkt des künstlerischen Schaffens rückte. So standen gemeinsame Aktionen und Aktivitäten im Vordergrund - ein Prinzip, das auch die Ausstellung befolgt. Die zertrümmerten und dann aufgeklebten Gegenstände von Arman, die »Colères«, oder die berühmten »Accumulations«, Ansammlungen gleicher Gegenstände wie Gebisse und Puppen in Schaukästen, sind so neben den Auto-Skulpturen des französischen Kompressions- Künstlers César zu sehen oder neben den Aufsehen erregenden Maschinen Tinguelys - ironische Angriffe auf den einseitigen Verbrauchercharakter der Massenprodukte und den Sinn des technischen Zeitalters.
In den Gruppenausstellungen der Neuen Realisten präsentierte Niki de Saint Phalle erstmals ihre Schießbilder. Videos dieser aggressiven Akte, die der Künstlerin zur Aufarbeitung ihrer problematischen Vaterbeziehung dienten, werden gleich neben den »Métamatics« von Tinguely gezeigt, mit dem die in New York aufgewachsene Malerin verheiratet war. Im Jahr 1965 entstehen ihre ersten Nanas, burleske und unförmige Riesenfrauen, von denen einige in der Ausstellung zu sehen sind.
Auch der rege Austausch mit den amerikanischen Neodadaisten wird dokumentiert. Robert Rauschenberg und Jasper Johns stellten in New York und Paris neben Tinguely, Niki de Saint Phalle, Klein, Arman und César aus. Aus dieser Konfrontation entstand 1962 die Bewegung der Pop-Art.
Die Ausstellung gleicht mit ihren zahlreichen, zwischen den Maschinen Tinguelys, den Autoteilen Césars und den Fallenbildern Spoerris verteilten Videos und ihren Beach-Songs der 70er Jahre einem bunten Happening.

Artikel vom 28.03.2007