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Etappensieg ist noch kein Tour-Erfolg

Zunächst jedoch Jubelstürme im Schützenhof und auch im Paderborner Stadtrat

Von Karl Pickhardt
Paderborn (WV). Knisternde Spannung legte sich über den Schützenhof-Saal, dann brach 15.52 Uhr lauter Jubel aus: Soeben hatte Dezernent Wolf-Christian Denkhaus Pläne zur Müllverbrennungsanlage vorerst auf Eis gelegt. Einige Minuten später wurde diese Nachricht auch im Paderborner Stadtrat in Schloß Neuhaus mit großem Applaus gewürdigt.

Das von der Bezirksregierung gestoppte Anhörungsverfahren zum müllbefeuerten Industrieheizkraftwerk Mönkeloh wertete Wilhelm Brockmeyer (55) als Vorsitzender der Bürgerinitiative »Keine MVA in Mönkeloh« als entscheidenden Etappensieg. »Ob wir auch die Tour gewonnen haben, muss sich erst noch herausstellen«, dämpfte der Paderborner Rechtsanwalt allzu große Jubelstürme. Schließlich hat die Kraftwerksgesellschaft (KMG) mit ihrer versierten Juristin Dr. Andrea Versteyl (Hamburg) bereits neue Anträge zum Bau einer Müllverbrennungsanlage angekündigt. Die Bürgerinitiative, die in den vergangenen Monaten einen wahren Proteststurm gegen die geplante MVA entfacht hatte, erwartet für den nächsten »Waffengang« eine sicherlich besser vorbereitete KMG mit der Entsorgungsfirma Stratmann (Bestwig).
So kündigte Wilhelm Brockmeyer gestern denn auch neuen Widerstand gegen neue MVA-Pläne in und um Paderborn an. »Wir werden uns dann wieder in voller Breite aufstellen«, zeigten sich Sprecher der Bürgerinitiative kämpferisch. Die jetzt vorgelegten und gescheiterten Anträge der KMG nannte Brockmeyer »schlampig«.
Fritz Buhr (71) führte als Sprecher der Paderborner Umweltverbände den »hart erarbeiteten Erfolg« besonders auf das Engagement der Borchener Initiative hin, die den Stein ins Rollen gebracht hatte. Der Erfolg der Bürgerinitiative wertete Fritz Buhr auch als Ermutigung für künftige Aktionen, nachdem in der Vergangenheit mehrere Bürgerbegehren wie beim Verkauf der Stadtwerke oder bei der Freibadplanung in Paderborn gescheitert waren.
Technische Beigeordneter Martin Lürwer, der schon am ersten Erörterungstag zunächst noch vergeblich einen Stopp des Genehmigungsverfahren gefordert hatte, wies auf die fehlerhafte Unterlagen und erhebliche Mängel hin. Die Stad thabe von Anfang an auf ein Aussetzen des Genehmigungsverfahren gesetzt.
Für die KMG bestätigte Anwältin Dr. Andrea Versteyl, dass das Unternehmen Startmann einen neuen Bauantrag für ein Industrieheizkraftwerk in Mönkeloh stellen werde. Die Juristin stand im ständigen Handy-Kontakt zum Unternehmer Carsten Stratmann, der dieser Anhörung im Schützenhof an allen Tagen fern geblieben war. Schon während des letzten Erörterungstages hatte die KMG gestern immer wieder zum Rückzug geblasen, weil wesentliche Antragsunterlagen lückenhaft und fehlerhaft waren oder gänzlich fehlten.
Den vorzeitigen »Dolchstoß« versetzte gestern der für Bad Lippspringe tätige Gutachter York von Bachmann den MVA-Plänen. Bachmann säte erhebliche Zweifel an den von der KMG vorgelegten Schadstoffwerten für Furane und Dioxine. Nachdem die KMG bereits zuvor in ihren Antragsunterlagen in wesentlichen Genehmigungsfragen Versäumnisse und Fehler einräumen musste, platzte Dezernent Denkhaus der Kragen: Er setzte das Verfahren nach 90-minütiger Beratung und in Absprache mit der Regierungspräsidentin aus. Die Fehler seien nicht zu reparieren: Dieser MVA-Plan landete im Papierkorb.
Ein neuer MVA-Antrag muss das gesamte Genehmigungsverfahren von vorn durchlaufen. Wieder haben alle Bürger Gelegenheit, Einwände zu erheben. Und wieder steht ein Erörterungstermin an. Wilhelm Brockmeyer forderte noch am späten Nachmittag die Kraftwerksgesellschaft auf, Pläne auf einen Müllofen in Paderborn aufzugeben. Wenn nicht, darf sich die KMG auf eine neue Protestwelle einrichten. Darin haben die Paderborner ja inzwischen durchaus Übung.

Artikel vom 23.03.2007