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Herzzerreißend melancholische Musik

NWD-Philharmonie und Gun-Brit Barkmin begeistern mit Wagner-Liedern

Von Matthias Lüke
Paderborn (WV). Mit einem viel versprechenden Programm aus Musik von Beethoven und Wagner ging die Nordwestdeutsche Philharmonie unter Leitung von Andris Nelson auf emotionale Tuchfühlung mit dem erwartungsvollen Publikum in einer gut gefüllten Paderhalle.

Vernünftigerweise entschied man sich vor dem Konzert, die Werke der beiden Komponisten in anderer Reihenfolge vorzutragen als laut Programmheft geplant: Also zunächst Beethovens »Eroica« und dann Wagners »Wesendonck-Lieder« sowie »Vorspiel und Liebestod« aus dessen Musikdrama »Tristan und Isolde«. In umgekehrter Reihenfolge wäre Beethovens »Dritte« im Anschluss an Wagners herzzerreißend melancholische Musik sicherlich zu kurz gekommen. Abgesehen davon hätte man die unbestrittene Hauptattraktion, eine wunderbar singende Gun-Brit Barkmin, zumindest chronologisch entthront, geht man denn davon aus, dass die Besten stets zum Schluss kommen.
Ohnehin stand die hochromantische, unendlich schöne und ganz allmählich anschwellende Musik Wagners der Philharmonie besser zu Gesicht als Beethovens häufig auf kürzestem Raum impulsiv-explosive »Eroica«. Da konnte Andris Nelson sich noch so ins Zeug legen, zumindest im ersten Satz des ursprünglich Napoleon Bonaparte gewidmeten Werkes erlebten die Zuhörer eine »Heldensinfonie« mit leicht angezogener Handbremse, was Tempi und Dynamik anging.
Nachdem der »Marcia funèbre« ein bisschen an Empathie und Tiefe hat vermissen lassen, konnten sich im metrisch abwechslungsreichen »Scherzo« und im lebhaft schwungvollen »Finale« sowohl Orchester als auch Dirigent steigern und musizierten um einiges spritziger, leichter und gelöster als zu Beginn. Andris Nelson wirkte nach dieser Energieleistung sichtlich erschöpft, aber doch zufrieden mit einer insgesamt guten Leistung seiner Musiker.
Nach der Pause folgten Wagners »Wesendonck-Lieder«, deren atmosphärisches Klangkolorit in fünf kurzen Gedichtvertonungen dezent auf die endlos chromatische Schönheit von »Tristan und Isolde« vorbereitete. Bereits in den fünf Liedern schmeichelte der dramatischer Sopran Gun-Brit Barkmins auf unwiderstehliche Art und Weise den Ohren: voluminös und von enormer Substanz in den Tiefen, lieblich, brillant und unbeschwert in den Höhen. Die große Durchschlagskraft ihrer betörenden Stimme kam ihr besonders beim »Liebestod« zu Gute, dessen musikalischer Kulminationspunkt mit seiner überbordenden Gefühlsüberflutung Gänsehaut erzeugte.
Die letzten zarten Töne der Violinen waren gerade verklungen, da brauste auch schon donnernder, von enthusiastischen Bravo-Rufen begleiteter Applaus auf. Und dies völlig zu Recht, das Publikum hatte ein insgesamt stimmungsvolles wie gelungenes Konzert der NWD-Philharmonie erlebt.

Artikel vom 23.03.2007