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»Habe mich einfach gefreut«

ZDF-Journalist Dieter Zimmer zu Fragen der deutschen Einheit

Schloß Holte-Stukenbrock (kl). »Hat sich die deutsche Einheit gelohnt?« Dieter Zimmer, bis 2002 Fernsehjournalist beim ZDF, hatte auf die bewusst plakative Frage keine allgemein gültige Antwort. »Gelohnt - für wen?, muss man fragen«, relativierte er seine Überlegungen: »Zum Beispiel für all jene, die gerne reisen. Man trifft sie doch heute überall. Egal, wo Sie sind, am Nebentisch sitzt meistens ein Sachse, man kann sie ja heraushören.«

Zimmer war am Dienstag Abend zu Gast im »Prominenten-Fenster« der Volkshochschule Harsewinkel - Schloß Holte-Stukenbrock - Verl. Die Veranstaltung fand diesmal in der Aula der Pollhansschule in Schloß Holte statt. Der Gast sinnierte zu Beginn seines Vortrags darüber, dass Ostwestfalen eine der Gegenden ist, in die er am häufigsten eingeladen wird - eine schlüssige Erklärung dafür hatte er aber nicht.
Wiedervereinigung? »Es war ein Anschluss, und es war auch so gewollt«, lautete Zimmer unwidersprochene These an diesem Abend. »Die Ideen von den Runden Tischen wurden einfach weggeblasen. Von den ehemaligen DDR-Bürgerrechtlern haben sich viele in die innere Emigration begeben. Die sagen: Wir wollten, dass es anders wird. Aber anders anders, als es jetzt ist.« Und dann die vielen Westdeutschen, die sich drüben fürchterlich aufgeführt hätten, »wie Heuschrecken« übers Land hergezogen seien.
Doch all die negativen Begleiterscheinungen der Wende- und Nachwendezeit ändern an seinem Urteil nichts, dass die Einheit sich im Großen und Ganzen und für die meisten Deutschen durchaus gelohnt hat. »Als die Mauer fiel, habe ich mich einfach nur gefreut«, erinnert sich Dieter Zimmer, selbst gebürtiger Leipziger, mit den Eltern im Jahr 1953 »rübergemacht«, den es sein ganzes Leben lang in seine Heimatstadt gezogen hat, als Jugendlicher, als junger Mann, als Journalist und auch heute noch, wenn er als Moderator der »Leipziger Gespräche« in seiner Heimatstadt regelmäßig Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur begrüßt.
Auch wenn man wie er mit den Hintergründen vertraut ist, kann man daneben liegen. Das gab der Gast unumwunden zu. Mit der Einheit habe 1989 niemand gerechnet und am wenigsten als das Ergebnis einer Revolution, die auf der Straße stattfindet. Genauso wenig habe er damals, gemeinsam mit vielen anderen, geglaubt, dass der Prozess der Einheit so lange dauern würde. »Zehn Jahre, habe ich gedacht.« Inzwischen sind fast zwanzig vergangen, und auch die werden nicht reichen.
»Für viele Westdeutsche ist das doch gar kein Thema. Die sind zu DDR-Zeiten nie dort gewesen, und die fahren auch heute nicht hin. Die interessiert das gar nicht.« Anders sieht das mit den Kosten der Einheit aus. »Da macht sich gegenwärtig eine Stimmung breit, die mir nicht gefällt. Viele sagen: Es wird zu teuer, oder: Es reicht. So eine Diskussion macht böses Blut. Dabei ist der »Soli« bis 2019 festgeschrieben. Es wäre toll, wenn das Thema drei Jahre lang einfach nicht diskutiert würde, und dann wollen wir mal weiter sehen. Aber das passiert leider nicht.«
Dieser Meinung pflichteten die Zuhörer in der Pollhansschule bei. Einige konnten Erfahrungen aus der eigenen Biografie oder aus privaten oder beruflichen Zusammenhängen beitragen. Und einer meinte gar, zum Verhältnis Wessi-Ossi: »Das haben wir seit der Gebietsreform 1971 doch auch bei uns zwischen Stukenbrock und Schloß Holte.«

Artikel vom 22.03.2007