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Keine Zeit
für Abschied

Steffensweg: Stadt lässt Eiche fällen

Von Claus Brand (Text und Fotos)
Bad Oeynhausen-  Oberbecksen (WB). Um 8.30 Uhr kreist gestern am Steffensweg die Motorsäge. Eine halbe Stunde später liegt die alte Eiche auf der Seite. Ein Werster Fachbetrieb führt im Auftrag der Stadt aus, was der Rat im September 2006 beschlossen hat: Der Baum soll weg.

Monatelange Auseinandersetzungen über den Zustand der alten Eiche sind dem Ratsvotum vorausgegangen. Auslöser für die Debatte sind im Frühjahr vergangenen Jahres die Pläne eines Investors, auf einem Grundstück an der Ecke Babbenhausener Straße / Steffensweg 19 Häuser zu errichten. Der Baum steht diesen Plänen jedoch im Weg.
Kinder der Anliegerfamilien, aber auch Erwachsene starten mehrere Rettungsversuche für ihren Freund, den Baum. Der ehemalige CDU-Ratsher Fritz Thies schreibt ein Gedicht. Die Mädchen und Jungen überreichen der Stadt mehr als 400 Unterschriften für den Erhalt. Die Fraktion Grüne/Bürgerforum erhebt den Vorwurf: »Die Eiche ist bewusst für krank erklärt worden.« Im August organisieren die Kinder ein Fest im Schatten der Eiche. Die Kreis-Grünen beantragen, die Eiche als Naturdenkmal zu deklarieren. Ohne Erfolg. Im Spätsommer fordert der Investor für das Baugebiet, das Maklerkontor Brand & Co., eine Entscheidung zur Eiche.
Gestern sind nun Tatsachen geschaffen worden. Noch vor Schulschluss ist der etwa 18 Meter hohe Baum gefällt. Große Teile sind bereits zersägt und werden geschreddert. Der 73-jährige Hubert Döbber verfolgt die Arbeiten der Firma Forstfachbetrieb Büchner. Er wohnt nur 150 Meter entfernt und meint: »Ich freue mich, dass in Oberbecksen gebaut wird. Andererseits bin ich Naturfreund und trauere um die schöne Eiche. Schade, dass es keine anderen Lösung gab.« Eine andere Anwohnerin, die namentlich nicht genannt werden will, sagt: »Wir fühlten uns durch den Baum gefährdet. Er schien sich in Richtung unseres Hauses zu neigen.«
Das wiederum sieht Markus Thom, Anwohner am Steffensweg, ganz anders: »Ich finde die Fällung bedauerlich, weil die Eiche den Steffensweg als Naturdenkmal geprägt hat. Es gibt keinen Grund für diese Aktion, abgesehen von kommerziellen Interessen.«
Hannah (11) und Sarah Linnea (9) Depenbrock sind zwei der Kinder, die sich für den Baum stark gemacht haben. Die Schülerin der sechsten Klasse sagte gestern Nachmittag: »Ich bin traurig und habe auch geweint, weil ich so lange um den Baum gekämpft habe. Ich bin enttäuscht, dass der Bürgermeister uns nicht gesagt hat, dass die Eiche nun gefällt wird. Wir wollten noch ein Abschiedsfest feiern. Das hat sich jetzt erledigt.«

Artikel vom 22.03.2007