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Vision aus dem Widerstand geboren

Neue Moltke-Biografie von Günter Brakelmann in Herford vorgestellt

Herford (man). Ein vereintes Europa mit einer einheitlichen Währung: Helmuth James von Moltke war ein Visionär. Ein Visionär, für den im Dritten Reich nur der Weg in den Widerstand möglich war. Mit der Biographie des hingerichteten Oppositionellen beschäftigt sich Günter Brakelmann.

Rechtzeitig zum 100. Geburtstag Moltkes hat der renommierte C.H. Beck-Verlag das 430 Seiten umfassende Werk veröffentlicht. Das Medienecho ist groß - so wird Brakelmann von einer Rezensentin bescheinigt, er habe eine »bewegende Moltke-Biografie« verfasst. 60 bis 70 Zuhörer waren dabei, als der emeritierte Professor für Christliche Sozialethik und Zeitgeschichte das Buch im Frühherrenhaus vorstellte.
Helmuth James von Moltke, maßgeblicher Inititator des Kreisauer Kreises, stammte aus einem bedeutenden Adelsgeschlecht. Hier erfuhr der im schlesischen Kreisau geborene Jurist die entscheidende Prägung. Wichtig ist der Einfluss der Mutter Dorothy Rose Inne. Deren Vater habe in Südafrika bereits gegen die Apartheid gekämpft, sagt Brakelmann. Eine weitere Besonderheit: Anders als die meisten Adeligen war Moltkes Vater kein Monarchist, der den Deutschnationalen nahestand, sondern Mitglied der Deutschen Volkspartei.
Helmuth James von Moltke war alles andere als ein guter Schüler. Als 19-Jähriger entschließt er sich zum Jura-Studium (Völkerrecht). Interessant sein Anspruch, der weit über das Lernen und Anwenden von Paragraphen hinausgeht: Bereits als junger Mann habe er Jura als politische Aufgabe gesehen, betont Brakelmann.
Bei Moltke handelte es sich um einen selbstbewussen Zwei-Meter-Mann, der die schlechte Welt nicht hinnehmen wollte, wie sie war. Als Rechtsanwalt hilft er Juden, als Kriegsverwaltungsrat versuchte er - unter Hinweis auf das Völkerrecht - Geiselerschießungen zu verhindern.
Dabei hatte Moltke, der zahlreiche Kontakte zu Diktatur-Kritikern knüpfte, stets das große Ganze vor Augen. Bereits 1940 beschäftigte er sich mit der Frage, wie das Deutschland nach Hitler aussehen soll. Gruppen aus unterschiedlichen Lagern kamen in Kreisau zusammen. Die Kreisauer Dokumente drehen sich um Grundlegendes. So sei es nicht nur um die Abschaffung des Dritten Reiches gegangen, erläutert der Autor: Die Frage sei gewesen, wie man auch den Geist des Nationalsozialismus eliminieren könne. Weg von Nationalismen zielten die Kreisauer auf Europa - Visionen aus dem Widerstand.
Der Weg in die Opposition war für Moltke der Weg in den Tod. In den von ihm geschriebenen Abschiedsbriefen sah eine Zuhörerin ein »großes Zeugnis des christlichen Glaubens«. Er habe im Widerstand neuen Zugang zur Religion bekommen. Brakelmann bestätigte dies, bezeichnete Moltke als einen »evangelischen Märtyrer«.
Günter Brakelmann: Helmut James von Moltke, 1907 - 1945. Eine Biographie. C.H. Beck Verlag. 432 Seiten. 24,90 Euro.

Artikel vom 22.03.2007