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Der Untergang im See-Studio

Zeitzeuge Heinz Schön verfolgt die »Gustloff«-Dreharbeiten in Stralsund

Von Curd Paetzke
Kreis Herford (BZ). Flüchtlingsströme ziehen durch die Straßen, Soldaten geben Kommandos, Kinder weinen, klammern sich an den klammen Händen ihrer Mütter fest. Kälte und Schnee liegen in der Luft. Es ist der 30. Januar 1945. Die »Wilhelm Gustloff« ist bereit, um mit 10 000 Menschen an Bord abzulegen. Nur: Von dem 208 Meter langen Schiff ist weit und breit nichts zu sehen.

Einzig eine Bordwand ragt an der Hafenmauer in die Höhe. »Der übrige Teil wird später am Computer hinzugefügt«, sagt Heinz Schön (81). Der frühere Herforder Verkehrsdirektor, der damals Zahlmeisterassistent auf der »Gustloff« war und den Untergang des von drei Torpedos getroffenen Schiffes in der Ostsee überlebte, kämpft auf dem Filmset mit seinen Erinnerungen an die Nacht, die 9300 Menschen den Tod brachte. Wenngleich sich die Kulissen nicht in Gotenhafen befinden, von wo aus die »Gustloff« zu ihrer letzten Fahrt auslief, sondern in Stralsund. »Alles wirkt so realitätsnah«, hat Heinz Schön festgestellt. Die Kleidung der Darsteller und Komparsen, die Requisiten, die Fahrzeuge - als sei die Zeit stehen geblieben. In Stralsund entsteht unter der Regie von Joseph Vilsmaier der ZDF-Zweiteiler »Hafen der Hoffnung« - mit einem Etat von rund elf Millionen Euro die bisher teuerste Produktion der UFA. Heinz Schön ist von der UFA als Berater verpflichtet worden (die BÜNDER ZEITUNG berichtete ausführlich). Inzwischen liegen die ersten Drehwochen hinter ihm. Dabei hat Schön bereits mit einigen der Darsteller - die Hauptrollen spielen Kai Wiesinger Heiner Lauterbach, Michael Mendl, Ulrike Kriener und Dana Vavrova - sprechen können. Um sich auf ihre Rollen vorzubereiten, haben die Schauspieler die Dokumentationen von Heinz Schön gelesen, seine Bücher, die von dem Schicksal der »Gustloff«, der Menschen auf dem Schiff und von der Flucht in Ostpreußen handeln. Der Film werde mehr Tiefgang haben als die erste Verfilmung »Nacht fiel über Gotenhafen«, ist Schön überzeugt. Seinerzeit, 1958/1959, stand Heinz Schön Regisseur Frank Wisbar beratend zur Seite. Vilsmaier werde die Last der Flüchtlinge deutlicher heraus arbeiten und den Zwiespalt der Soldaten aufzeigen, die wenige Monate vor Kriegsende wussten, dass ihr Kampf umsonst gewesen war. Aller Voraussicht nach wird Schön im Mai nach Malta fliegen, wenn in dem dortigen Filmstudio (das einzige auf See in Europa) die dramatischen Untergangsszenen gedreht werden. Zudem entsteht in Babelsberg ein 20 Meter langes Schiffsmodell der »Gustloff«.

Artikel vom 22.03.2007