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Damit die Züge sicher rollen

Hinter verschlossenen Türen: BZ-Serie stellt das Bünder Stellwerk vor

Von Gerhard Gläsker (Text)
und Sebastian Picht (Fotos)
Bünde (BZ). »Manchmal habe ich das Gefühl, mit einer großen Modelleisenbahn zu spielen«, lacht Andrea Möller. Doch was im ersten Augenblick wie Spiel aussieht, ist in Wirklichkeit eine Aufgabe, die höchste Konzentration und Pflichtbewusstsein verlangt. Die 35-Jährige ist im Stellwerk am Bünder Bahnhof für den Gleisabschnitt zwischen Bünde und Kirchlengern zuständig.

Damit ist die Mitarbeiterin der Deutschen Bahn für die Sicherheit der Fahrgäste verantwortlich. Auf einer großen Schalttafel stellt sie die Weichen für die Züge, sorgt für einen reibungslosen Bahnverkehr. Jeder Zug wird im Stellwerk als roter Punkt angezeigt. Schon im Voraus plant die Espelkamperin die Fahrstrecken für Züge, die ihren Abschnitt passieren.
Außerdem kontrolliert sie 21 Bahnübergänge. »Da ist ständige Aufmerksamkeit gefragt«, sagt Andrea Möller, die eine von sechs Fahrdienstleitern in Bünde ist. Durch die Zigarrenstadt fahren pro Tag etwa 200 Züge, davon 100 Reisezüge und annähernd die gleiche Zahl an Güterzügen. »Da kann es manchmal hektisch werden«, berichtet Möller. »Doch dann gilt es, einen kühlen Kopf zu bewahren. Lieber sorgfältig und überlegt arbeiten. Denn die Sicherheit der Fahrgäste ist wichtiger als rollende Züge.«
Fünf bis zehn Kilometer liegen die Stellwerke auseinander, die für einen reibungslosen Zugverkehr sorgen. Mit einer Schalttafel bedient sie die Signale, gibt den Lokomotiven freie Fahrt. Auf fünf Bildschirmen sieht sie die Bahnübergänge mit Vollschranken. Diese Übergänge werden durch magnetische Kontakte geschlossen, die die Züge auf der Strecke auslösen. Sollte tatsächlich einmal ein Auto zwischen geschlossenen Schranken stehen bleiben, kann Andrea Möller blitzschnell reagieren. »Dann rufe ich den Lokführer und warne ihn. Allerdings haben Züge einen mehrere Kilometer langen Bremsweg.«
Die Technik des Stellwerks, der so genannte Spurplan, ist zwar 30 Jahre alt, hat sich aber bewährt. »Inzwischen gibt es elektronische Stellwerke, die wesentlich größere Bereich erfassen«, betont Reinhard Warhus, Bezirksleiter Betrieb aus Osnabrück. Fällt die Technik aus und wird eine Störung angezeigt, dann muss der Fahrdienstleiter die Sicherheit gewährleisten. »Dazu ist Nervenstärke erforderlich, um in so einem Moment die richtige Entscheidung zu fällen«, informiert Andrea Möller, der nach mehr als zehn Jahren der Beruf immer noch Freude bereitet. »Ich möchte bis zum Rentenalter die Verantwortung im Stellwerk tragen«, sagt die Espelkamperin, die vom Stellwerk aus auch die Ansagen für den Bahnof macht.
Sicherheit hat Priorität: In der Betriebszentrale in Hannover wacht zusätzlich noch ein Notfallmanager über alle Stellwerke in seinem Bezirk. Hat der diensthabende Stellwerker akute gesundheitliche Probleme, dann werden die Signale nicht freigeschaltet. Der Notfallmanager trifft die weiteren Entscheidungen und sorgt für Ersatz.
Auch den Ernstfall hat Andrea Möller schon erlebt -Êdann, wenn sich Menschen vor einen Zug werfen. »Für die Lokführer ist das ein traumatisches Erlebnis. Wir sind im Stellwerk meist weit weg von der Unfallstelle«, erzählt sie.
In diesem Augenblick sieht die Stellwerkerin einen Fußgänger den Bahnübergang in Kirchlengern bei geschlossener Schranke passieren. »Über solches Verhalten, das kein Einzefall ist, kann ich nur den Kopf schütteln. Hier spielt jemand mit seinem Leben. Wir können in solchen Situationen leider nur zuschauen.«

Artikel vom 21.03.2007