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70-jähriger Mann liebt 20-jährige Frau

Dramatisches Schauspiel von Gerhart Hauptmann im Diepholzer Theater

Diepholz (WB). Als letzte Veranstaltung der Saison bietet der Kulturring Diepholz seinen Besuchern Gerhart Hauptmanns Spätwerk «Vor Sonnenuntergang«. Es wird gezeigt als Produktion des Euro-Studio Landgraf am Mittwoch, 21. März, ab 20 Uhr im Theater der Stadt Diepholz.

Marcel Reich-Ranicki hat Hauptmanns »Vor Sonnenuntergang« in den Kanon der bedeutendsten deutschen Dramen aufgenommen. Es ist ein Stück, das eine Liebesgeschichte und zugleich ein Familiendrama beinhaltet, wobei das enge Geflecht der einzelnen Familienmitglieder mit ihrer Gier nach Macht und Besitz dem Liebenden letztendlich die Luft zum Atmen nimmt.
Der Liebende, das ist der 70-jährige, verwitwete Geheimrat Clausen, der zur besten Gesellschaft gehört und über Zeitungs- und Druckereibetriebe herrscht. Ihn verbindet eine tiefe und aufrichtig erwiderte Liebe zu der 20-jährigen Inken Peters, mit der er nach dem Verkauf seines Unternehmens in die Schweiz ziehen und ein neues Leben beginnen will. Aber bei seinen Kindern stößt er auf massiven Widerstand, und als er Inken in die Familie einführen will, kommt es zum Bruch, der darin gipfelt, dass Clausen entmündigt wird, resigniert und seinem Leben ein Ende bereitet.
Selbst die Liebe zu der jungen Frau konnte ihn nicht davor bewahren, den Kampf gegen Undankbarkeit, Egoismus und Heuchelei aufzugeben. Der Literaturnobelpreisträger Gerhart Hauptmann schrieb »Vor Sonnenuntergang« 1932, im Alter von 70 Jahren. Das Thema des Schauspiels hatte auch einen biographischen Hintergrund: Hauptmann hat seine immer wieder gefährdeten Beziehungen zu Frauen darin aufgearbeitet. Die Begeisterung seines Helden Geheimrat Clausen für die Jugend in Person von Inken Peters ist identisch mit dem Hingezogensein Hauptmanns zu jungen Frauen.
Zugleich stellt Hauptmann mit dem Titel seines letzten Werkes »Vor Sonnenuntergang« eine Beziehung zu seinem dramatischen Erstling »Vor Sonnenaufgang« her: In beiden Stücken geht es um den Verfall einer Familie, im Frühwerk unter dem sozialkritischen Aspekt, im Spätwerk unter dem psychologischen, und in beiden Stücken geht es um Abschied nehmen, um Schmerz und um Tod.
Karten für die Veranstaltung gibt es im Vorverkauf beim Kulturring Diepholz (Tel. 0 54 41/61 61, Fax: 6906, E-Mail: info@kulturring-diepholz.de) und an der Abendkasse eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn.

Artikel vom 20.03.2007