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Wort zum Sonntag

Heute von Jörg Kutrieb

Jörg Kutrieb ist Vikar im Pfarrverbund Schloß Holte - Sende - Liemke

Am 4. Fastensonntag, dem Sonntag »Laetare - Freue dich!«, weicht in manchen Kirchen das strenge Violett des Messgewandes dem Rosa, einer Farbe, die bereits das strahlende Weiß von Ostern erahnen lässt. Worüber sollen wir uns denn an diesem Sonntag freuen, wenn wir das berühmte Evangelium vom »verlorenen Sohn« (Lk 15,1-3.11-32) hören? - Vielleicht schon darüber, dass dieses große Stück Weltliteratur uns so vertraut ist, dass uns da etwas Altbekanntes wieder begegnet, das Halt gibt. Wohl noch mehr darüber, dass Umkehr, die Neuausrichtung auf Gott, ohne die menschliches Leben nicht gelingen kann, wirklich möglich ist! Auch heute, wo man sie dem Menschen gemeinhin nicht mehr zutraut, da ihm der freie Wille fehle, da er fremdbestimmt sei durch seine Erbanlagen und die Umwelteinflüsse. Der Herr traut es uns zu!
Wer hat einst bei seiner Beichtkatechese nicht schon von den fünf großen »B« gehört, von den fünf Schritten, die der verlorene Sohn vollziehen konnte, damit seine Beziehung zum Vater wieder in Ordnung kommt? Besinnen: »Da ging der verlorene Sohn in sich und überlegte« - Bereuen: »Ich habe mich versündigt, es tut mir leid« - Bekennen: »Vater, ich habe mich gegen dich und den Himmel versündigt« - Bessern: »Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen.« - Büßen: »Vater, . . . mach mich zu einem deiner Tagelöhner.« Um genau diese Schritte geht es ja bei der sakramentalen Beichte, für Kinder ebenso wie für Erwachsene.
Aber dieses Evangelium ist noch mehr als große Literatur und Grundlage der Beichtkatechese. Wir spüren: Hier geht es ums Ganze! Wir erfahren wie Gott ist, und wir erfahren wie der Mensch ist. Gott ist voller Liebe, Langmut und Barmherzigkeit, ursprünglich hatte er vorgesehen, dass wir in glückseliger Gemeinschaft bei ihm wohnen. Selbst nachdem wir uns stolz und rebellisch davon gemacht haben, in der Hoffnung, das große Glück ohne ihn zu finden, hat er uns nicht aufgegeben. Umkehr ist möglich! Er wartet mit offenen Armen! Was für die Menschheit insgesamt gilt, das gilt auch für jeden Einzelnen. Jeder von uns hat seine persönliche Fluchtgeschichte, hoffentlich auch seine persönliche Umkehrgeschichte, denn Umkehr ist möglich, bis der Tod eintritt. Sie setzt eine demütige Haltung voraus: Den Mut, ehrlich über sich selbst nachzudenken, die Größe, sich beschenken lassen zu können.
Und wenn wir damit bereits das Ganze vor den Blick genommen haben, wie Gott ist, wie der Mensch ist, wie die Beziehung zwischen Gott und dem Menschen ist, tun dann die Details noch etwas zur Sache? Reicht nicht der Hinweis auf das fröhliche Fest, mit dem für den verlorenen Sohn alles ein gutes Ende genommen hat? Wozu die Einzelheiten, etwa die Rede vom »besten Gewand«? Hier setzt die ganz große Theologie an! Wörtlich heißt es nämlich: »Holt schnell das erste Gewand herbei!« Dem Bibelkundigen stockt der Atem! Das erste Gewand, das ist doch das übernatürliche Gnadenkleid Adams, mit dem er ursprünglich von Gott ausgestattet war! Erst durch die Abkehr von Gott als der Quelle des Lebens wurde der ursündliche Mensch nackt. Er ist der von jeder Hoffnung auf Vollendung Entkleidete. Seine Selbsterfahrung als »vergängliches FleischÓ erzeugt die Scham des Nacktgewordenen; der Schurz, das selbst gemachte Kleid und jede Spielart der Mode können nur blasse Erinnerungen an die ursprüngliche Herrlichkeit sein, mit der Gott ihn ausgestattet hatte (vgl. Gen, 2+3). Der verlorene und heimgekehrte Sohn aber trägt kein selbst gemachtes Ersatzkleid, sondern das ihm vom Vater geschenkte Prunkgewand! Und wir als Christen wissen, dass uns in der Taufe ebenfalls die ursprüngliche Herrlichkeit wiedergeschenkt wurde, ja sie wurde noch überboten, und das Taufkleid bringt zum Ausdruck, dass wir Christus selbst als Gewand »angezogen« haben (Gal 3,27).
Gerne lerne ich von den Kirchenvätern die Liebe zum Detail. So ist beim Kirchenvater Gregor von Nyssa zu lesen: »Auch zieht er (der barmherzige Vater) ihm das Gewand an und zwar kein anderes, sondern das erste, dessen er sich durch den Ungehorsam entledigt hatte, mit anderen Worten, sobald er von der verbotenen Frucht genoss, sah er sich in seiner Blöße. Und der Ring an der Hand deutet durch das dem Stein eingegrabene Siegel die Wiedergewinnung des göttlichen Ebenbildes an, nach welchem er geschaffen wurde. Er schützt ferner seine Füße mit den Schuhen, damit er, wenn er mit der nackten Ferse dem Kopf der alten Schlange nahe komme, nicht ihrem Bisse ausgesetzt sei.« (Das Gebet des Herrn, 2. Rede).
»Laetare - Freue dich!«, denn kaum ein Evangelium ist so sehr Frohe Botschaft wie dieses. Beide Söhne tun sich im Grunde schwer, die Güte und Liebe des Vaters zu begreifen und anzunehmen. Lernen wir mit ihnen, dass Gott unser Glück und Leben will. Von je ferner wir nach Hause zurückkommen, desto größer ist seine Freude.Vikar Jörg Kutrieb

Artikel vom 17.03.2007