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Beeindruckend und ergreifend

Premiere des Theaterstücks »Das Tagebuch der Anne Frank« am Gymnasium

Von Bernd Steinbacher
(Text und Fotos)
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). »Ein einziger Fehler kann uns alle das Leben kosten.« Das sagt Vater Otto Frank, kurz nachdem die jüdischen Familien Frank und van Pels (im Tagebuch van Daan) im vorbereiteten Versteck gut angekommen sind.

Die Familien mussten eher als geplant untertauchen, da Margot Frank eine Vorladung erhält. Sie soll Zwangsarbeit in Deutschland leisten. Das Drama beginnt.
Otto Frank, bei der Premiere am Donnerstag Abend im Gymnasium gespielt von Michael Kaup, weist alle an, leise zu sein, besonders aber zwischen morgens 8 und abends 6 Uhr. Das Risiko besteht immer, dass Arbeiter sie hören und sie dadurch entdeckt werden.
Die Spannung zwischen versuchtem Alltag und der Hoffnung auf das Kriegsende ist förmlich greifbar: Gemeinsames Essen, Lernen, ja sogar Feiern und die immer präsente Angst vor der Entdeckung auf der einen, die Radioberichte von der Invasion der Alliierten auf der anderen Seite. Ausnahmslos alle Akteuere überzeugen in ihren Rollen.
Otto Frank versucht, ausgleichend zu wirken, wenn Konflikte unter anderem aufgrund der Enge des Verstecks zu eskalieren drohen. Und Konflikte gibt es reichlich. Die Angst ist groß, das Essen ist eintönig und wird knapp. Keiner kann sich zurückziehen, die unterschiedlichen Persönlichkeiten schlagen voll durch. Wie ein rettender Engel erscheint immer Miep Gies (Constanze Hallau), neben dem Radio fast die einzige Verbindung zur Außenwelt. Besonders groß ist das Entsetzen als Herr Kraler (Patricia Goldberg) berichtet, dass ein Arbeiter nach dem Regal fragte und mehr Lohn verlangte. Dieses Regal verdeckt die Tür zu ihrem Versteck.
Ihren Weg, mit dieser lebensbedrohlichen Situation irgendwie fertig zu werden, findet Anne (Natalie Lindner) mit dem Schreiben. Ihr Tagebuch ist ein bewegendes Zeugnis des Lebens des jungen Mädchens: »Am meisten fürchte ich die Stille. Ich denke oft an die Juden, die sich nicht verstecken können.« Anne (Natalie Lindner) versteht es, Anne Zweifel, Ängste, Fragen, ihre Probleme mit der Mutter und mit Peter, später ihre Zuneigung, ja Liebe zu ihm, trotz aller Umstände, aber auch ihre immer wieder durchkommende Lebensfreude, glaubwürdig, lebendig und ergreifend ins Publikum zu tragen. Besonders eindrucksvoll ist die Situation gleich zu Beginn des Theaterstücks als Anne und Peter van Daan (Vanessa Busch) ihre »Judensterne« von den Mänteln entfernen und diese direkt vor der Bühne landen.
Die szenischen Darstellungen der Schüler der zehnten Klassen aus dem Kurs »Darstellen und Gestalten« werden ergänzt durch Erzähler, Originalzitate einiger Reden, wie von Dwight David Eisenhower im britischen Radiosender BBC zur Invasion in der Normandie, aber auch durch eindringlichen Zuglärm, als es auf der Bühne um das Abtransportieren von Juden in Sammel- und Vernichtungslager geht.
Effektvoll, ohne dabei in Übertreibung zu verfallen, wird auch der Tag der Entdeckung in Szene gesetzt. Drei deutsche Soldaten stürmen plötzlich mit Getöse das Versteck der jüdischen Familien, nehmen alle fest.
Am Ende des Stücks gab es allerdings leichte Irritationen im Publikum. Nachdem mit auf den Bühnenvorhang projizierten Originalfotos an das Schicksal der Einzelnen erinnert wurde, nur Otto Frank überlebte, kamen trotz des lang anhaltenden Schlussbeifalls die Schüler nicht noch einmal auf die Bühne. Das eher unübliche Verhalten wirkte in diesem Fall richtig. Die Betroffenheit über das Schicksal der Juden blieb damit, wie ein Gedankenstrich, länger im Gedächtnis - Anne Frank, deren Tagebuch Geschichte anhand von Einzelschicksalen so begreifbar werden lässt, starb im März 1945 an Typhus im Konzentrationslager Bergen-Belsen.
Völlig zu Recht sprach Schulleiterin Marion Blome allen Beteiligten nach der Premiere gleich hinter der Bühne ein dickes Lob für ihren Einsatz und die überzeugende Leistung aus.
Thomas Heppener, Direktor des Anne-Frank-Zentrums in Berlin, wertete in der Pause des knapp zweistündigen Theaterstücks: »Die Leistung ist beeindruckend.« Mit dieser Einschätzung befand er sich keineswegs allein. Nur positive Kommentare waren zu hören.
Weitere Vorstellungen finden am 20. März, um 19 Uhr, und am 22., 27. und 29. März, jeweils um 17 Uhr im Gymnasium statt. Das umfangreiche Programmheft führt alle Darsteller (mehrere Doppelbesetzungen) und Helfer auf und gibt einen kurzen Überblick zum Schicksal von Anne Frank und ihrer Familie.

Artikel vom 17.03.2007