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Wort zum Sonntag

Heute von Pfarrer Hans-Martin Weber

Hans-Martin Weber ist Pfarrer i.R. in der evangelischen Kirchengemeinde Werther.


Das heutige Wort zum Sonntag von Hans-Martin Weber beginnt mit einem Gedicht von Lothar Zenetti:
Ich kenne Einen;
der ließ sich von uns die Suppe versalzen;
der ließ sich von uns die Chancen vermasseln;
der ließ sich von uns das Handwerk legen;
der ließ sich für dumm verkaufen;
der ließ sich einen Strick drehen;
der ließ sich an der Nase herumführen;
der ließ sich übers Ohr hauen;
der ließ sich von uns klein kriegen;
der ließ sich von uns in die Pfanne hauen;
der ließ sich von uns aufs Kreuz legen;
der ließ sich von uns Nägel mit Köpfen machen;
der ließ sich zeigen, was ein Hammer ist;
der ließ sich von uns festnageln auf sein Wort;
der ließ sich seine Sache was kosten;
der ließ sich sehen am dritten Tag;
der konnte sich sehen lassen.
(Lothar Zenetti)
Wer soll das wohl sein? Wer lässt sich freiwillig für dumm verkaufen, klein kriegen und in die Pfanne hauen? Wer? Vielleicht Gandhi, Martin Luther King, Mutter Theresa? Vielleicht.
Hunderte, Tausende von Namen könnte ich nennen, wenn ich in dem Gedicht von Lothar Zenetti hinter dem Wort 'sich' ein 'nicht' einfügen würde: Ich kenne Einen, der ließ sich nicht übers Ohr hauen... Ja, genau das erleben wir doch tagtäglich in dieser Welt. Man muss sich doch wehren! Man darf sich doch nicht alles gefallen lassen.
Ich kenne Einen, der ließ sich sogar in wortwörtlicher Bedeutung von uns Menschen aufs Kreuz legen. Entgegen jeder normalen menschlichen Erwartung hat Jesus alle Demütigungen auf sich genommen. Er hat sich nicht gewehrt, nicht auf sein Recht gepocht.
Würden wir nicht von dem Sohn Gottes etwas anderes erwarten? Machtvolle Überlegenheit statt ertragener Ohnmacht? Demonstration von Stärke statt Sterben in Verlassenheit?
Auch wenn es unseren Vorstellungen nicht entspricht: Gott hat seinen Sohn keinen Höhenflug machen lassen, sondern ihn auf den Weg des Leidens und des Kreuzes geschickt. Wir Christen erinnern uns in diesen Wochen, wir nennen sie Passionszeit, an das Leiden und Sterben Jesu. Sein Tod sieht wie Scheitern aus.
»So ein Looser passt nicht in unsere Winner-Vorstellung«, denken wir.
Aber gerade in diesem offensichtlichen Scheitern bekannte sich Gott zu ihm; denn er ließ Jesus auferstehen am dritten Tag und nahm dadurch Tod und Gewalt das letzte Wort über uns Menschen.
Die Osterfreude ist durch die Botschaft vom Kreuz nicht zu trennen. Diese Botschaft gehört in die Mitte der christlichen Verkündigung. Mag es vielen ärgerlich oder unverständlich oder unerhört erscheinen, denen, die an Jesus Christus glauben, ist sein Kreuz das Tor zum Leben.
Die Botschaft von dem gekreuzigten Christus konnte sich Jahrhunderte lang sehen lassen Ê- auch heute noch. Ja, bis zum Ende aller Zeiten behält sie ihre Leben spendende Kraft.
Darauf kannst du dich verlassen.

Artikel vom 17.03.2007