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Leben als Fluss voller Windungen

Landestheater: Feinfühlige Umsetzung des Musical-Klassikers »Show Boat«

Von Thorsten Böhner
Paderborn (WV). »Show Boat« von Jerome Kern gilt als das erste Musical überhaupt. Das Landestheater Detmold präsentierte den Klassiker jetzt bei einem Gastspiel in der halbvollen Paderhalle.

Im Amerika um 1900 ist die Sklaverei abgeschafft, nichtsdestotrotz gelten Schwarze immer noch als minderbemittelte Rasse. Das spiegelt sich auch in dem Geschehen auf dem »Show Boat« wider, das den Mississippi hinauf-und hinunterfährt und seine Gäste mit einer Revue unterhält.
Star der Show ist die Mulattin Julie, die jedoch Hals über Kopf flieht, als bekannt wird, dass sie schwarzes Blut in ihren Adern hat. Kapitänstochter Mangnolia übernimmt Julies Part, und an ihrer Seite fungiert der Lebenskünstler Gaylord. Auf der Showbühne verlieben sich die beiden - was abseits des Rampenlichts längst geschehen ist. Doch ihre Liebe steht unter keinem guten Stern, denn Gaylord verfällt dem Glücksspiel und lässt seine Frau und die gemeinsame Tochter Kim im Stich.
An dieser Stelle wiederholt sich das Schicksal: Noch einmal springt Mangnolia für Julie ein, diesmal in einem Etablissement in Chicago. Julie - für die Weißen zu schwarz, für die Schwarzen zu weiß - ertränkt ihren Kummer im Alkohol und sich selbst kurz darauf im Mississippi. Als die Schwarze Queenie mit dem Gospel »Siwng low, sweet chariot« die Freundin betrauert, wird es totenstill in der Paderhalle - ein genialer Schachzug der Inszenierung, denn nichts kann Traurigkeit und Hoffnung so sehr auf den Punkt bringen wie ein solches Lied, gesungen noch dazu von einer schwermütig-eindrucksvollen Stimme wie der von Liz Howard.
Das flexible Bühnenbild und die opulenten Kostüme werden dem Pathos der Südstaaten gerecht. Die Rollen sind weitgehend adäquat besetzt, lediglich bei Andreas Jören hat man Mühe, ihm den Lebemann Gaylord abzukaufen. Sein Gesang indes ist über jeden Zweifel erhaben. Das gilt für das gesamte Ensemble. Schade nur, dass die Chorgesänge textlich schwer zu verstehen sind. Und leider fehlt den Akteuren bei den Tanzszenen der Raum, weil sich die Paderhallenbühne als etwas zu klein für eine Crew dieser Größe erweist. Davon lassen sich die Darsteller manchmal etwas ausbremsen.
Doch davon abgesehen bleibt unter dem Strich gute Unterhaltung. Und wenn der schwarze Schiffsarbeiter Joe (Zelotes Edmund Toliver) dem Mississippi huldigt (»Ol' Man River«) und seinen kräftigen Bass wie die Fluten des alten Flusses in den Zuschauerraum gleiten lässt, dann denkt man nur: »Sing's noch einmal, Joe!« Macht er auch. Am Schluss. Wie schön!

Artikel vom 16.03.2007