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Orgeltitanen auferstanden

St. Pius: Christoph Grohmann als meisterhafter Interpret großer Meister

Rheda-Wiedenbrück (WB). Christoph Grohmann spielte jetzt in der St. Pius-Kirche in Wiedenbrück auf der klangfarbenreichen Klais-Orgel Werke der St. Clotilde-Organisten, die eine Cavaillé-Colle-Orgel nutzen konnten: César Frank (Titularorganist von 1858 - 1890), Gabriel Pierné (1890 - 1898), Charles Tournemire (1898 - 1939), Jean Langlais (1945 - 1987). Werke großer Meister brauchen meisterhafte Interpreten.

Wie differenziert nutzte Grohmann die Registerfarben. Schon im Pièce héroïque von C. Frank (1822 - 1890) schillerten über rhythmisierten, sanften Basspassagen Melodiefetzen und helle Umspielungen; gewaltige Pedalschritte und chromatischen Rückungen im Manual bildeten die Schlussapotheose.
In der Pièce symphonique (op. 16) von Tournemire (1870 - 1939) entstieg tiefem Grund ein Fugato, das tonal geweitet in höhere Sphären entschwebte; nach abwechslungsreichen Motivabsplitterungen verebbte das Stück mit »swingendem« Bass und tremulierendem Diskant im Pianissimo.
Grohmanns Improvisation über ein polnisches Passionslied malte die leidende Maria. Über herben, aber zartesten Einleitungsklängen erhob sich eine Melodie, zu der sich Dissonantes gesellte, bis auch die Melodie in der 4. Strophe zerbrach.
Jean Langlais' (1907 - 1991) »Mon âme cherche une fin paisible« aus den Kriegsjahren 1942 - 44 liegt der deutsche Choral »O Haupt voll Blut und Wunden« zugrunde. Wie überzeugend und drastisch moduliert aber auch der Franzose - wie einst Bach - mit äußerst modernen chromatischen Ausbrüchen. Ausdrucksstark zeichnete Grohmann in der getrübten und dissonanten Harmonik das schmerzhafte Ringen nach, um im Dur-Schluss ein friedvolles, versöhnendes Ende zu finden.
In Langlais' Sätzen aus der Suite Française von 1948 weht die Lust der Freiheit nach dem Weltkrieg. Im »Nazard« parliert das Nasard 2 2/3 der Orgel als Soloregister über weicheren Flöten und weiten Stützklängen. Ornamentale Formeln füllen mit Echoeffekten das »Française«. In der »Arabeske« verfolgen sich über weicherem Grund zwei souveräne Virtuosität voraussetzende Flötenmelodien.
Auch die zweite Improvisation nach der Weise: »O Mensch, bewein dein Sünden groß« (1525, von M. Greitter) zeichnet die Passion nach. Zum cantus firmus der Posaune im Pedalwerk treten grelle Cluster, stark rhythmisierte Einwürfe, Pedalballungen, nach Laut-Leise-Gegenüberstellungen Fortissimo-Explosionen. Noch einmal ertönt das wunderbare Cornett fünffach über fast tonal gebundenem Choralsatz, bevor Themenabspaltungen sich verselbstständigen und im Pianissimo Dur-Schluss mit sixte ajoutée demutsvoll verklingen.
Im »Prélude« aus den »Trois Pièces pour Orgue« (op. 29) von Gabriel Pierné (1863 - 1937) entzückt Grohmann mit einem Manualfeuerwerk über einem cantus firmus der Trompette harmonique. In der »Cantilène« »schnulzt« die Trompete aus dem Hauptwerk - vom Tremulanten geölt - über gebrochenen Akkorden quasi italienisches Belcanto. Im »Scherzando de Concert« ergießen sich perlende Kaskaden vielfarbiger Läufe rauschend in den Raum und spritzen über bis in virtuos gespielten Pedalpassagen.
100 begeisterte Konzertbesucher erklatschten das schlichte, doch bezaubernde »Non troppo lento« für Harmonium von C. Frank. Auch in der Gestaltung der kleinen Form ist der Orgelvirtuose Grohmann Meister, vor dem man nur bewundernd und dankbar stehen kann.

Artikel vom 15.03.2007