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Ekstatische Momente im Heimathaus

Ausnahme-Jazzer sorgen für ein begeistert gefeiertes Finale der Fachwerkkonzerte

Verl (hr). Mit einem fulminanten Auftritt dreier Ausnahme-Jazzer ging die Abo-Konzertreihe 2006/2007 des Heimatvereins Verl am Sonntag im Heimathaus zu Ende. Christian Kappe, Marc Brenken und Alex Morsey zelebrierten feinfühligen wie ekstatischen Jazz und wurden vom Publikum gefeiert.

Was ist es, das die Faszination dieser Jazz-Formation ausmacht, mit der der künstlerische Leiter Ares Rolf einen besonderen Treffer gelandet hatte? Da kommt vieles zusammen. Die gemeinsame Liebe zu diesem von Rhythmus, Synkopen, virtuosen und ruhigen Elementen ebenso geprägten Genre wie Lust und Leidenschaft zur Improvisation. Spielwitz und Ideenreichtum sind weitere nötige Zutaten, um eine Session zu einer begeisternden Session werden zu lassen. Alles dies hat die Formation junger Musiker ebenso im Blut wie in ihren Händen. Christian Kappe etwa, der sich hinter einem Trompeter wie Till Brönner weiß Gott nicht verstecken muss. Er gehört zur Elite der deutschen Jazzszene und fabriziert an Trompete und Flügelhorn Brillanz und Ausdruck zum Dahinschmelzen.
Oder aber Marc Brenken, genialer Pianist und Komponist, der die meisten der präsentierten Stücke geschaffen hat. Mit atemberaubender Leichtigkeit, mit viel, viel Leidenschaft und Prägnanz bildete er das klangliche Gerüst bei Titeln wie »Now or Never«, »Rainy Day« oder auch »The Moon, The Sky«. Gab es Gelegenheit im Chorus zu improvisieren, nutzte er sie nicht nur für atemberaubende Läufe auf dem betagten Flügel des Heimathauses, sondern weitete seine Spielfreude auch auf die Saiten des Instrumentes aus, die er mit Fingern traktierte oder strich.
Der Aufmerksamkeit des Publikums in jedem Moment sicher sein konnte sich Alex Morsey am Bass. Nicht nur, dass er diesen mit Hingabe und Leidenschaft zupfte, was dem Trio durchaus das perkussive Grundgerüst verlieh, und er mit dem Bogen spielte. Nein, er »sang« mit dem Instrument um die Wette. Abenteuerlich, mit geschlossenen Augen, gleichsam in eine andere Welt entrückt, dabei so munter und facettenreich, das ist Scat-Gesang der recht individuellen Art. Solches hatte der Großteil des Publikums sicherlich noch nicht erlebt.
Neben der »Toy Train Story«, in der das Trio auf geniale Weise das Schnaufen und Fahren einer Spielzeuglok nachahmte, neben dem zuweilen verhaltenen »Strumyk«, dem quirligen »Erbse im Holzhaufen« und dem farbenfrohen »Kristall« sorgte auch die faszinierende Rasantheit des »Wespennest« für Beifallsstürme, so dass nach dem Standard-Klassiker »Cheek to Cheek« und einem furiosen Finale mit »Vacaciones« eine Zugabe nicht fehlen durfte. Dem Publikum, jetzt so richtig in (Mit-)Feierlaune versetzt, spendierte das Kappe-Brenken-Morsey-Trio den Ella Fitzgerald-Hit »Tea for Two«, um sich dann »zum Mineralwasser zu dritt« zurück zu ziehen.

Artikel vom 14.03.2007