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Schlichter sind
sehr gefragt

Schiedsleute tagten in der Stadthalle

Spenge (kk). »Schlichten statt richten« - das ist das Motto des Bundes Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen (BDS). Zur Jahreshauptversammlung der Bezirksvereinigung Bielefeld, die 125 Mitglieder zählt, hatte Geschäftsführer Walter Aumüller am Samstag in den Stadtgarten Spenge eingeladen. Hier wurde nicht nur Bilanz gezogen, sondern auch ein aktuelles Thema erörtert: Bernd Kahre, Direktor des Herforder Amtsgerichtes, informierte über »Stalking«, worunter man das wiederholte Belästigen einer Person versteht.

Terror durch Telefonanrufe, E-Mails und SMS, Verleumdungen, Ausspionieren persönlicher Daten und Erkundung der Lebensgewohnheiten, ständiges Auflauern und Verfolgen - das Verhalten des Stalkers ist extrem und vehement. Die Folgen für das Opfer ebenso: Ein Großteil leidet unter vegetativen Erscheinungen wie etwa Unruhe, Schreckhaftigkeit, Kopfschmerzen, Angstsymptomen, Schlafstörungen, Magenbeschwerden bis hin zu schweren Depressionen.
In Spenge wurde der erste Schiedsmann Rolf Schumann bislang mit zwei Fällen von »Stalking« konfrontiert. Erstaunlicherweise beide Male von Erfolg gekrönt; es wurde jeweils eine Unterlassungserklärung erwirkt. Bundesweit gibt es laut Kahre 500.000 bis 600.000 Stalking-Fälle pro Jahr.
Am 30. November 2006 wurde es als eigener Straftatbestand beschlossen, einem Menschen unbefugt nachzustellen.
Bis dato hatte man die Opfer oftmals nicht ernst genommen, zudem gab es aufgrund fehlender gesetzlicher Grundlagen nur einen beschränkten Handlungsspielraum für Polizei und Staatsanwaltschaft. Nun sind Freiheitsstrafen für die Täter bis zu zehn Jahren vorgesehen, je nach Auswirkung der Tat auf das Opfer.
Schiedsleute sind ehrenamtlich für die Bürger als Mediatoren in Straf- und Zivilsachen tätig. Sie sind von den Landesjustizverwaltungen eingerichtete Vergleichsbehörden. Gewählt wird eine Schiedsfrau oder ein Schiedsmann für fünf Jahre vom Rat einer Gemeinde. »Ich möchte etwas für die Allgemeinheit tun«, erklärt Walter Aumüller, stellvertretender Schiedsmann in Spenge, seine Motivation.
Seit vier Jahren vermittelt er. Da geht es um den Baum, der zu weit über das Grundstück des anderen ragt oder dem anderen die Sonne nimmt, den Kaminrauch, der als Belästigung empfunden wird. Im Gegensatz zu einem Gerichtsverfahren soll eine Einigung zwischen den »Streithähnen« erzielt werden - an einem Tisch sitzend, in ruhiger Atmosphäre. »Wir lassen jeden erstmal erzählen«, sagt Walter Aumüller. »Gewinner oder Verlierer gibt es bei uns nicht.«
In Zeiten völlig überlasteter Gerichte ist die Institution der vorgerichtlichen Streitschlichtung sinnvoller denn je. Der BDS kann eine Erfolgsquote von mehr als 50 Prozent aufweisen, die Schiedsstellen Enger und Spenge liegen bei einer Quote von etwa 85 Prozent. Selbstverständlich gibt es auch Fälle, bei denen die Chancen auf eine Einigung gering sind.
So könne man einen »Stalker« wohl nur sehr schwer dazu bewegen, sich beim Schiedsmann an den Tisch zu setzen, so die Einschätzung Kahres.

Artikel vom 13.03.2007