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Die Kobra beißt wieder zu

Fünfter Titel: Jeff Hartwig wehrt den Otto-Angriff locker ab

Vom 6. Stabhochsprung-Meeting
berichten Alexander Grohmann
und Oliver Schwabe (Fotos)
Bad Oeynhausen (WB). Arne Opitz musste sich eigentlich nicht entschuldigen. Er tat es trotzdem. »Es tut mir leid«, meinte der Kampfrichter des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, der kurz zuvor nur seinen Job gemacht und die rote Fahne geschwenkt hatte. Damit war der Versuch von Jeff Hartwig über 5,80 Meter ungültig und das Meeting vorzeitig beendet. Der Titel ging trotzdem an den unaufhaltsamen Amerikaner.

Denn alle Anderen waren zu diesem Zeitpunkt schon längst draußen. Jetzt sollte der spaßige Teil beginnen, und Hartwig wollte die Begeisterung mit weiteren Höhenflügen weiter anfachen. Im dritten Versuch über 5,80 Meter sah alles nach einer Fortsetzung aus: Die Latte blieb liegen, doch »Magier« Hartwig wurde fauler Zauber unterstellt. »Er hat bei der Überquerung mit der Hand die Latte stabilisiert. Das ist untersagt«, rechtfertigte Opitz seine unpopuläre Entscheidung.
Schade, die wieder einmal zu Hunderten an der Anlage verharrenden Zuschauer hätten gerne die Fortsetzung der »One-Man-Show« gesehen. Und auch Jeff Hartwig, der sich am Samstag zum fünften Mal in Bad Oeynhausen den Meeting-Sieg sicherte und seine »goldene Ära« fortsetzte, war etwas enttäuscht. »Ich hätte meinen Fans gerne mehr gezeigt, das ist eine schreckliche Regel. Niemand versteht, warum es vorbei ist«, meinte der »Ami«, während er in der Auslaufzone fleißig Autogramm- und Fotowünsche erfüllte.
Jeff Hartwig und der Werre-Park -Ê das ist und bleibt eine Liebesgeschichte. Während die »deutschen Adler« am Ende einer langen Hallensaison der Reihe nach abstürzten und auch Weltmeister Rens Bloom mit einem »Salto Nullo« enttäuschte, sprühte der 39-jährige Routinier nur so vor Tatendrang. Der Dominator ließ alle unter sich: Im ersten Versuch nahm Hartwig die 5,50 Meter, und auch die 5,60 m bewältigte er mit sensationeller Souveränität. Ein Schock für die Konkurrenz.
Die bestand zu diesem frühen Zeitpunkt des Wettkampfes ohnehin nur noch aus den Deutschen Fabian Schulze und Björn Otto sowie Adam Kolosa. Der Pole biss sich an den 5,60 m genauso wie Schulze die Zähne aus, der selbstbewusste Björn Otto ließ diese Höhe aus. Das schon im Vorfeld erwartete Duell gegen Hartwig konnte beginnen. Doch der EM-Dritte wirkte an diesem Abend gegen den Schlangenzüchter aus Arkansas (Hartwig: »Zurzeit habe ich 300 Exemplare«) wie eine Ringelnatter, die eine Kobra herausfordert. Bei 5,70 Meter war für Otto, der eigentlich den Hallen-Rekord von Danny Ecker (6,00m) angreifen wollte, Feierabend. Hinterher zischte Otto in Richtung Veranstalter: »Das ist ein Vernichtungssteg. Die Anlage ist viel zu hart«, mäkelte er.
Der Weltjahresbeste (5,90 m) ging verbal in die Luft, Jeff Hartwig mit dem Stab. Auch die 5,70 Meter waren kein Problem für den Tour-Senior. »Jetzt hat er den Fehdehandschuh geworfen«, rief Sprecher Gerhard Pohl. Doch zum Duell mit dem schwächelnden Otto kam es nicht, Hartwig war wie fast immer in Bad Oeynhausen am Ende der Einzelkämpfer. Jetzt geht der »Sunnyboy« mit Selbstvertrauen in die Sommer-Saison. Seine wohl letzte. »Ich fühle mich so gut wie seit drei Jahren nicht mehr«, will er sich den angekündigten Abschied vom Springer-Alltag mit einer WM-Medaille versüßen. Ganz ausschließen wollte der 39-Jährige, der so fit wie eh und je wirkt, eine Rückkehr in den Werre-Park nicht. »Es hat wieder Spaß gemacht. Vielleicht bin ich nächstes Jahr doch wieder dabei.«
Frau Karol und Töchterchen Heidi (2) drückten am Samstag vor Ort die Daumen. »Heidi ist zum ersten Mal mit«, so Hartwig, der auf deutsche Vorfahren verweist. Auch deshalb ist er immer gerne hier gewesen. Vor allem aber deshalb, weil es immer etwas zu gewinnen gab. So wie am Samstag.

Artikel vom 12.03.2007