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Vom Meister
des Horrors

Altonaer Theater gibt »Dolores«

Von Wilhelm Friedemann
(Text und Foto)
Bad Oeynhausen (WB). Die meisten Werke des Schriftstellers Stephen King spielen im US-Bundesstaat Maine. Diese autobiographische Note liegt auch seinem Roman »Dolores« zu Grunde, der am Donnerstag durch das Altonaer Theater in einer Bühnenfassung auf die Oeynhausener Bühne kam. 170 Zuschauer sahen das spannende Kriminalstück, in dem es um viel mehr als um einen grausamen Mord ging.

Brutal, lieblos und unzufrieden schildert Dolores in einer Rückblende ihren Ehemann Joe, mit dem sie und ihre Tochter Selena auf dem Lande leben. Die äußerlichen Voraussetzungen in David Joss Buckleys Theaterstück entsprechen den typischen Sujets in Stephen Kings Geschichten. Menschen, die in kleinbürgerlicher Isoliertheit lebend ihrer Misere nicht entrinnen können, bilden auch in »Dolores« den Anlass für Situationen, die den verzweifelten Ausbruch aus dieser aussichtslosen Lage bedingen.
Bereits in der ersten Szene schildert Buckley in aller Drastik das Ehemartyrium zwischen Dolores (Nina Petri) und Joe (Volker Hanisch). Auf verbale Attacken folgten tätliche Angriffe. Die gegenseitigen Drohungen wurden in derber Sprache ausgestoßen, und ständig drohte die Situation zu eskalieren. Trefflich und unverblümt verkörperten Petri und Hanisch ihre Rollen.
Zur Mordtat kam es, nachdem Tochter Selena (Nikola Lenk) sich ihrer Mutter anvertraute und ihr von dem Missbrauch durch den eigenen Vater erzählte. Es gelang der 25-jährigen Schauspielerin exzellent, die zehn Jahre jüngere Selena und ihre zunehmende Entfremdung von ihren Eltern darzustellen. Als sie sich dazu überwand, ihrer Mutter den Missbrauch zu gestehen, flossen sogar echte Tränen, die Selenas Schuldgefühle unterstrichen. Der verzweifelte Zwiespalt, in dem sich die Tochter befand wurde gänzlich in dem Satz »Papa, ich hab dich doch lieb« offenbar.
Nach dieser dramaturgischen Vorarbeit war der Weg für einen Mord am Familienvater geebnet, für den das Publikum Dolores nicht verurteilen würde, ja sogar Verständnis aufbrächte. Den entscheidenden Anstoß erhielt Dolores von ihrer Dienstherrin Vera Donovan (Ingrid Sanne). Einer harten, arroganten Frau, die Dolores nicht unähnlich ist und in ironischer Weise durchblicken lässt, dass eventuell auch ihr eigener Mann nicht aufgrund eines natürlichen Todes gestorben ist.
Regisseur Peter Lüder hat »Dolores« in der deutschen Übersetzung durch Frank Küster sorgfältig inszeniert. Licht und Musik trugen wirkungsvoll zur Intensivierung des dramatischen Geschehens bei. Das einfallsreiche Bühnenbild machte keine Szenenumbauten notwendig und sorgte somit für einen geradlinigen Handlungsstrang und ungeminderte Spannungssteigerung.
Als Dolores am Ende des zweistündigen Dramas ihrer kranken und verunfallten Freundin Vera Sterbehilfe leisten wollte, war dies nicht mehr notwendig. Doch ein Motiv und die unbenutzte Tatwaffe in der Hand ließen Dolores auf tragische Weise verdächtig erscheinen. Ein trauriges Ende eines ganz besonderen Kriminalstückes, das vom Publikum am Donnerstag mit viel Applaus aufgenommen wurde.

Artikel vom 10.03.2007