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Stadt Rietberg zeigt heute Flagge

Die aus Tibet vertriebene Nima Domaya lebt seit einigen Monaten in der Emsstadt

Rietberg (WB). Sie ist 31 Jahre alt und hat ein Schicksal hinter sich, wie es hier wohl nur jene nachvollziehen können, die im Eiswinter 1945 Flucht und Vertreibung aus dem Osten erleben mussten. Nima Domaya (der Name ist mit Rücksicht auf ihre in der Heimat verbliebenen Familienangehörigen geändert) aus Tibet wohnt seit einigen Monaten in Rietberg.

Sie stammt aus dem tibetischen Hochland, jener Gegend, die im Westen eher durch spektakuläre Besteigungen schwieriger 8000er beispielsweise von Reinhold Messner denn durch das Schicksal des dort angestammten Volkes bekannt sein dürfte. Hinter Nima Domaya liegt eine Zeit der Verfolgung, der Bedrohung, der Gewalt und der ständigen Angst, vor ihr die Hoffnung auf einen Friedensprozeß zwischen den chinesischen Besatzern und dem religiösen Führer Tibets, dem Dalai Lama. Hoffnung auch auf Vermittlung für den seit rund 57 Jahren schwelenden Problemherd durch den Westen. Und so ist sie stolz darauf, dass am heutigen Samstag, 10. März, im Rahmen einer bundesweiten Aktion in der 783 Städte in der Bundesrepublik »Flagge zeigen«, ihre Nationalfahne in Neuenkirchen gehisst wird. An diesem Tag jährt sich zum 48. Mal der Jahrestag des Aufstandes des tibetischen Volkes gegen die chinesischen Besatzer. 1959 hatten sich die Tibeter 10 Jahre nach dem Einmarsch der sogenannten »Volksbefreiungsarmee« in der Hauptstadt Lhasa erhoben. Bei den mehrtägigen Kämpfen verloren nach offiziellen chinesischen Angaben mehr als 87 000 Tibeter ihr Leben.
Insgesamt, so die Tibet Initiative Deutschland, seien 1,2 Millionen Tibeter durch »Hunger, Zwangsarbeit, Haft, Folter und Hinrichtungen ums Leben« gekommen. In Fotos und bewegten Bildern westlicher Touristen wurde die Zerstörung von, so TID, über 6000 Klöstern, Tempeln und anderen Kulturdenkmälern dokumentiert. Sogar Kinder seien bedroht, würden inhaftiert und in Arbeitslager gebracht. Gleichzeitig werde der Zustrom chinesischer Siedler immer weiter forciert. Der Dalai Lama, er lebt im indischen Exil, versuche seit Jahrzehnten, eine friedliche Lösung für das tibetische Volk zu erreichen. Die Forderung des Friedensnobelreisträgers von 1989 sei keine generelle Unabhängigkeit, sondern allein die nach einer Selbstverwaltung innerhalb des chinesischen Staatsverbandes. Seit 1996 gibt es in mehreren Ländern Europoas die Solidaritätsbekundung demokratischer Nationen durch das Hissen der Länderflagge in Kommunen und Landkreisen.
Die Beteiligung steigt jährlich an. Im Bundesgebiet waren es vor elf Jahren 21 Teilnehmer, dieses Mal beteiligen sich rund 785 Städte und Gemeinden in 14 Bundesländern. Baden-Württemberg stellt mit 147 die meisten Kommunen, in Bayern sind es 128, in Hessen und Nordrhein-Westfalen jeweils 104. Rietberg ist bereits seit Jahren bei der Aktion dabei, die Flagge wurde bisher unter Betreuung der Gleichstellungtsstelle stets am 10. März am Nordtor gehisst. Doch dort sind wegen der umfangreichen Bauarbeiten für das neue Lind Hotel an der Ems derzeit keine Fahnenmasten aufgebaut. Flüchtlingsbetreuer und Leiter des Familienzentrums, Martin Hillemeyer, der auch Nima Domaya begleitet, wählte so in dieser Woche den Standort Neuenkirchen aus. Auch, weil in diesem Stadtteil ein hohes multi-kulturelles Empfinden durch das Zusammenleben vieler Nationalitäten vorhanden ist. Aufgerufen zu der Aktion hat neuerlich die TID, die im Internet unter www.tibet-initative.de zahlreiche Informationen vermittelt. Auch der Kreis Gütersloh, Rietbergs Nachbarstadt Rheda-Widdenbrück sowie mehrere Kommunen im Nordkreis nehmen teil. In Steinhagen wird es einen Infostand geben, zentraler Ort für den Raum Ostwestfalen ist Bielefeld.
Von 13 bis 17 Uhr informiert die regionale TID-Gruppe unter dem Motto »Give a hand to free« über die Problematik. Am Spindelbrunnen in der Bahnhofstraße werden dann auch die Artists Unlimited vor Ort sein und den Solidaritätstag begleiten. Mit dabei: Nima Domaya, die sich freut, Landsleute zu treffen, die aber auch in Sorge ist um die Verwandten, denen nach ihrem Bekunden in der Heimat Verfolgung droht. Vielleicht spricht sie dann auch über ihre Flucht aus der Heimat, die sie mit einer kleinen Gruppe Gleichgesinnter zu Fuß im Winter über die tief vereisten Pässe des Himalaya führte.
Und die ihr gesamtes Habe verbrauchte. Nur durch den Verkauf ihres kompletten Besitzes konnte die junge Frau, die voller Fleiß und mit großem Erfolg derzeit die deutsche Sprache in einem Intensivkursus lernt, das Wagnis eingehen. Ihr Weg führte sie nach Nepal und von dort aus nach Deutschland, wo sie Rietberg zugewiesen wurde. Die Emsstadt ist für sie aber nur eine Zwischenstation. »Es ist wunderschön hier, die Menschen sind freundlich zu mir und ich fühle mich schon wohl. Aber Tibet ist meine Heimat und sobald es geht ohne Gefahr für mein Leben, so schnell das möglich sein wird, möchte ich dorthin zurückkehren.«

Artikel vom 10.03.2007