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Wort zum Sonntag

Heute von Pfarrerin Antje Eltzner-Silaschi

Antje Eltzner-Silaschi ist Pfarrerin in der Kurseelsorge.

Im menschlichen Miteinander gibt es viele Regeln und Weisheiten, die sich inzwischen zu einer komplexen Wissenschaft entwickelt haben. Denn wir Menschen reden ja nicht nur einfach miteinander, wenn wir uns begegnen, sozusagen auf Augenhöhe! Kommunikation findet auf vielerlei Ebenen statt, und das ist nicht erst im Zeitalter moderner elektronischer Kommunikationsmittel so. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Theorien auch darüber, warum wir Menschen so oft scheitern, obwohl wir miteinander im Gespräch sind und uns doch häufig miteinander austauschen. Eine meiner Lieblingstheorien ist die so genannte »Eisbergtheorie«, die sich die Frage stellt: Warum ging die Titanic unter? Die Antwort lautet: Weil bei einem Eisberg nur 1/8 sichtbar ist, der Rest liegt unter der Oberfläche. Was heißt das nun für unser Miteinander? In Konflikten und in Krisengesprächen spielen immer auch die Dinge eine Rolle, die gar nicht aktuell sind. Alte Geschichten, alte Verletzungen, frühere schlechte Erfahrungen mit Menschen in ähnlichen Situationen - all das spielt eine Rolle. Diese Dinge können wir nicht weg diskutieren, aber wir können dann vielleicht eine aktuelle Krise besser verstehen, wenn wir beim Gegenüber oder bei uns selber erkennen, was da wohl noch alles unterschwellig mitschwingt. Manchmal habe ich Jesus in Verdacht, dass auch er schon von solchen Theorien der modernen Kommunikationswissenschaft wusste.
Der Wochenspruch für die kommende Woche lautet: »Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.« (Lukas 9,62). Eine alte Weisheit, und doch so aktuell, ein Bild aus Jesu Tagen, das wir Heutigen aber auch verstehen können. Denn dass jemand keine gerade Furche mit seinem Pflug ziehen kann, wenn er immer nach hinten schaut, das leuchtet uns auch heute ein. Fürs Pflügen und auch für unseren Umgang mit Menschen ist es wichtig nach vorn zu sehen. Das, was hinter uns liegt, sollen wir auch dort belassen. Loslassen ist nötig, damit Neues wachsen kann. Neues kann nur wachsen, wenn wir uns auf das konzentrieren, was vor uns liegt.
Auch im zwischenmenschlichen Bereich bringt es nicht viel Gutes hervor, wenn wir alte Geschichten und Verletzungen immer wieder in neue Beziehungen mit hineinnehmen. Keine neue Beziehung hat Zukunftschancen, wenn wir sie mit der alten vergleichen. Nein, sagt Jesus, ihr verbaut euch die Zukunft, wenn ihr immer nur in das Vergangene blickt. Da liegt kein Segen darin, denn das Vergangene ist vorbei. Die Erinnerung gehört zu deinem Leben, ja, auch die Erfahrungen, die du gemacht hast, sind wichtig und Teil deines Lebens. Diese Erfahrungen sollst du nicht verdrängen und vergessen, sie sollen aber auch nicht dein Denken beherrschen. Wenn du etwas Neues zum Wachsen bringen möchtest, dann wende deinen Blick der Zukunft zu. Das ist gar nicht so einfach, oder?
Aber einen Versuch ist es sicher wert, einmal darüber nach zu denken, an welcher Stelle ich eher ungerade Furchen in meinem Leben ziehe, oder - modern ausgedrückt - an welchem Teil meines Eisbergs Kommunikation zerschellt ist. Nach vorne sehen, darin liegt der Segen Gottes.

Artikel vom 10.03.2007