08.03.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Retter« Kljaic: »Ich bin kein Zauberer!«

Handball-Bundesligist TuS N-Lübbecke verpflichtet den Ex-Mindener bis zum Saisonende

Von Ingo Notz
Lübbecke (WB). Manchmal ist das Leben doch ein Wunschkonzert: Velimir Kljaic schwingt ab sofort den Dirigentenstab beim TuS N-Lübbecke. Dabei galt es schon als sicher, dass er nicht kommt. Sicher ist, dass nichts sicher ist. Außer, dass er doch kommt: Der 61-jährige Kroate wurde gestern offiziell als neuer Cheftrainer vorgestellt - seinen Dienstantritt hatte er bereits Dienstagabend.

»Wo soll ich sitzen? In der Mitte? Ist das der Schleudersitz - oder was?« Velko Kljaic grinste vergnügt, als er gestern in der Geschäftsstelle des TuS N-Lübbecke als neuer Trainer präsentiert wurde. Laut Kljaic und Uwe Kölling nur als Übergangslösung bis zum Saisonende - eben als klassischer Retter. In der offiziellen Pressemitteilung des Vereins befindet sich allerdings noch der Zusatz »zunächst bis zum Ende der Handball-Spielzeit«, der noch Raum für Interpretationen bietet.
Kljaic selbst aber hat gestern klargestellt, dass er im Sommer wieder zu seinem kroatischen Club RK Lokomotiva nach Zagreb zurückkehren will. Ein weiterer Grund: »Ich habe ja eine junge Frau. . . Die kann dort nicht weg, weil wir einen kleinen Laden aufgemacht haben.«
RK Lokomotiva Zagreb hat ihn jetzt nur freigegeben, weil der TuS ein entsprechendes finanzielles Angebot gemacht hat, das Team im Europapokal der Cupsieger bereits ausgeschieden ist und auch in der Liga Platz eins außer Reichweite scheint. »Nach oben geht nichts mehr. Und für das Geld können sie eine neue Spielerin holen«, erläutert Kljaic die Sesam-Öffne-Dich-Formel, mit der der TuS ihn zurück ins deutsche Rampenlicht geholt hat.
»Wir haben jetzt den Mann an Bord, dem wir zutrauen, den Klassenerhalt zu schaffen!«, meinte TuSN-L-Geschäftsführer Uwe Kölling zum geglückten Trainertransfercoup. Dass Kljaic erst jetzt zugesagt hat und nicht schon vor dem Wetzlar-Spiel, begründet der Kroate: »Wenn der Verein gegen Wetzlar gewinnt, braucht er mich nicht. Dann hätte sich die Sache erledigt. So haben wir Samstag aber nochmal gesprochen. Mein Präsident hat mich gebeten, noch bis zum 31.3. zu bleiben, dann hab ich aber innerhalb von 12, 14 Stunden die Genehmigung bekommen.« Dass er davon ausgeht, mit Lübbecke die Liga halten zu können, ist klar: »Wenn ich das nicht glauben würde, wäre ich erst gar nicht gekommen! Ich will mir meinen Ruf ja nicht kaputt machen. . .!«
Die Finanzen, die sportlich realistische Chance, die Freundschaft zu Zlatko Feric waren weitere Gründe für das Ja: »Und ich kenne die Gegend!«, setzt Kljaic darauf, sofort und ohne Eingewöhnungszeit die gewünschte Wirkung zu erzielen. Aber nicht allein. »Ich bin kein Zauberer. Allein kann ich sowieso nicht viel machen. Das ist wie bei einem Dirigenten. Wenn der vor einer Wand dirigiert, passiert nichts. Es muss ein Orchester auf der anderen Seite sein, dann kommt auch Musik!« Die richtigen Töne will er seiner neuen Mannschaft ganz schnell beibringen - wobei die Form des TuS nicht Besorgnis erregend sei: »Im Training ist das in Ordnung. Ich bin richtig überrascht vom guten Zustand. Aber man muss das erst sehen, wenn es um etwas geht.«
Die Mannschaft habe den Trainer gut aufgenommen, verkündete Interimscoach Zlatko Feric mit Anspielung auf Ex-Kandidat Trtik: »Es gab richtig positive, ausgelassene Reaktionen, als klar war, dass der Neue keine langen Haare und keinen Bart hat. . . Wobei - auch der Weihnachtsmann hat lange Haare und einen Bart - deshalb muss man nicht gleich ein böser Mann sein. . .«
Dass er mit dem TuSNL in seiner derzeitigen Verfassung ein heißes Eisen anpackt, ist Klajic klar. Das ist für ihn kein Problem. Dass es beim TuS nicht zuletzt in der Defensive Ansatzpunkte für ihn gibt, weiß der graue Fuchs natürlich genau: »Du musst Dich über jedes erzielte Tor freuen - aber genauso über jedes verhinderte!«
Hauptansatzpunkt wird für den Kroaten bis zum immens wichtigen Spiel gegen Melsungen aber der mentale Bereich sein: »Hauptsache ist die innere Begeisterung - dann ist alles möglich!« Die Mannnschaft habe Schuldgefühle gehabt, weil wegen ihrer schlechten Leistungen Trainer Jens Pfänder gehen musste, meinte Kljaic erkannt zu haben. »Jetzt muss ich der Mannschaft erst einmal Selbstvertrauen zurück bringen,, die Jungs sind zu verkapselt. . .« Was soviel heißt wie: zu verkrampft. . .
Nichts ist unmöglich: Dass die Lübbecker einen nicht unerheblichen finanziellen Aufwand betrieben haben und betreiben, um Kljaic aus seinem laufenden Vertrag loszueisen, dürfte klar sein. Zu den finanziellen Einzelheiten wollten beide Seiten keine Angaben machen - auch nicht darüber, ob für »Retter« Kljaic eine Sonderprämie im Fall des Klassenerhalts ausgelobt worden ist. Fest steht nur, dass der Kroate bereits mit dem Rückflugticket in der Tasche nach Lübbecke gekommen ist. »Der Flug ist für den 4.6. gebucht. Wenn wir doch in die Relegation müssen, hab ich Pech. . .« Doch so weit soll es erst gar nicht kommen - die direkte Rettung ist das Ziel. Armin Gauselmann: »Von den 24 noch möglichen Punkten gilt es, so viele wie möglich zu holen. Deshalb haben wir die nicht unerheblichen Anstrengungen gemacht, Kljaic zu holen, weil wir überzeugt sind, dass dieser Weg mit ihm erfolgreich zu beschreiten ist.«
Und an die Spieler richtete Gauselmann auch ganz klare, unmissverständliche Worte: »Sicher gab es Favoriten bei den Spielern - aber das ist hier kein Wunschkonzert! Ich erwarte verdammt nochmal, dass sie mitziehen - ohne Wenn und Aber!«

Artikel vom 08.03.2007