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Damit es den Bakterien schmeckt

Zweiter Teil der Serie »Hinter verschlossenen Türen«: Besuch im Klärwerk

Von Alexander Kröger (Text und Fotos)
Bünde (BZ). »Es stinkt zum Himmel« - aber nicht in Spradow. In der Nähe einer Kläranlage könnte man eigentlich üble Gerüche vermuten. Doch in dem Spradower Abwasserwerk werden nahezu alle Gerüche neutralisiert. In der Reihe »Hinter verschlossenen Türen« besuchte die BÜNDER ZEITUNG die Kläranlage an der Grabenstraße.

Die Zahl hört sich nicht nur gewaltig an, sie ist es auch: Jährlich fließen durch das Bünder Kanalsystem fünf Millionen Kubikmeter Abwasser in die Kläranlage. Damit könnten rund 200 000 große Tankwagen gefüllt werden. Würde man die in einer Linie aufreihen, wären das 3600 Kilometer. Oder anders ausgedrückt: Ständen die Tankwagen Stoßstange an Stoßstange, würde die Schlange von Lissabon bis Stockholm reichen.
Seit fast acht Jahren ist das Abwasserwerk in Betrieb; damals kostete die umfassende Modernisierung 30 Millionen Mark. Insgesamt zwölf Mitarbeiter sorgen heute für einen reibungslosen Ablauf.
Bündes Kläranlage scheint vorbildlich für andere Kommunen zu sein. Zum Beispiel informierte sich eine Delegation von dänischen Fachleuten in Spradow über Technik und Arbeitsabläufe. Außerdem haben Experten aus Japan und Türkei angefragt, erzählen Peter Speckmann und Ramutis Pozela vom zuständigen Kommunalbetrieb Bünde.
»Wir haben eine Gesamtreinigungsleistung von rund 95 Prozent«, berichtet Ingenieur Guido Strathmann vom Abwasserwerk. Täglich werden die Werte der Anlage überprüft; die Ergebnisse sind besser als gesetzlich vorgeschrieben.
»Eine Kläranlage besteht vor allem aus lebenden Organismen«, sagt Strathmann. Die fürs menschliche Auge unsichtbaren Bakterien vertilgen den Unrat. Damit sich die Winzlinge so richtig wohlfühlen, steht seit kurzem eine zusätzliche so genannte Desintegrationsanlage auf dem Gelände; mit Ultraschallwellen bereitet sie den Klärschlamm auf, damit er den Bakterien noch besser »schmeckt«.
In der Halle für die Schlammentwässerung« herrscht ohrenbetäubender Lärm. Die Arbeiter tragen Ohrstöpsel oder einen Kapselgehörschutz, der wie ein Kopfhörer aussieht. Außerdem riecht es deutlich nach Klärschlamm. Doch der Geruch dringt nicht nach außen. Wo es nötig ist, ziehen mehrere Ventilatoren die Abluft aus den Räumen. Von dort strömen sie in zwei Biofilter. Die entziehen der Luft den fauligen Geruch.
Einen Stromausfall, und somit einen Abwasser-Stau, muss der Betreiber nicht fürchten. Notfalls springen die hauseigenen Notstromaggregate an. Auch beim Thema Energie hat die Kläranlage einen fortschrittlichen Weg eingeschlagen. Mit den natürlichen Faulgasen wird ein Blockheizkraftwerk betrieben. Das deckt zu einhundert Prozent den Wärmebedarf des Klärwerks und produziert nebenher noch einen Teil des Bedarfs an elektrischem Strom.

Artikel vom 06.03.2007