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Und alles
nur für den
Nachwuchs

Kröten und Frösche wandern

Von Matthias Kleemann
(Text und Fotos)
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Es ist das alte Lied: Frühlingsgefühle machen unvorsichtig. Das gilt nicht nur für die Spezies Homo Sapiens, sondern auch für Bufo Bufo oder Rana Temporaria, zu deutsch: die Erdkröte und den Grasfrosch.

Weil man auf der Straße einen besonders guten Ausblick hat - es ist bis zum Horizont eben und dazu möglicherweise noch schön warm - legen männliche Frösche auf ihrer Wanderung zum Laichgewässer mit Vorliebe dort eine Pause ein. »Man kann beobachten, wie sie sich hochrecken, um einen besonders guten Überblick zu haben«, sagt der Diplom-Biologe Frank Ahnfeld, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Biologischen Station Senne. Die scheinbar günstigen Verhältnisse werden den Tieren dann zum Verhängnis. Gegen ein herannahendes Auto haben Frösche und Kröten naturgemäß keine Chance.
Deshalb gibt es dort, wo die Hauptwanderwege der Amphibien sind, seit Jahren Krötenzäune. Die Maßnahme hat sich bewährt - zum Artenschutz einerseits, aber auch zur Verkehrssicherheit. Denn bei richtig starken Wanderwegen können so viele Kröten auf der Straße sein, dass die Fahrbahn rutschig und gefährlich wird. Deswegen hat man noch in den 1980er-Jahren auch in Schloß Holte-Stukenbrock manche Straßen für die Zeiten der Krötenwanderung gesperrt.
Es war die GNS - 1979 ursprünglich als Vogelschutzverein gegründet - die sich hierzulande als erster für den Amphibienschutz in der Senne engagiert hat. Ahnfeld, selbst GNS-Mitglied, erinnert sich: »Man begriff, dass alles zusammenhängt, dass man Naturschutz nicht an wenigen Arten festmachen kann.«
Warum ist Krötenschutz so wichtig, wem würden sie fehlen, wenn es sie nicht mehr gäbe? »Kröten sind ein wichtiges Glied in der Nahrungskette«, sagt Frank Ahnfeld. Fressen und gefressen werden: Glücklicher Gartenbesitzer, der einen Froschteich hat. Frösche fressen viele Schadinsekten, Fliegen und Mücken zum Beispiel, aber auch Schnecken. »Eigentlich fressen sie alles, was ins Maul passt«, so Ahnfeld. Sogar den eigenen Nachwuchs. Andererseits sind Frösche und Kröten selbst Nahrung für viele Wildtiere: Fuchs, Iltis, Bisam, Störche und Reiher. Es ist ganz einfach: Ihr Aussterben würde das ökologische Gleichgewicht empfindlich stören.
Moderne Entwicklungen haben das zum Teil schon bewirkt: »Es gibt kaum noch Dorfteiche und Überflutungszonen oder natürliche Senken. Fischteiche sind so stark besetzt, dass Froschnachwuchs dort keine Chance hat.« Der saure Regen habe ein Übriges getan, naja, und der Straßenverkehr hat auch zugenommen.
Nachdem die Biologische Station 1992 gegründet wurde, übernahm sie Schritt für Schritt die Organisation des Amphibienschutzes. An mehr als 20 Stellen in Bielefeld, Verl, Schloß Holte-Stukenbrock, Oerlinghausen, Hövelhof und Paderborn stellt sie regelmäßig zur Wanderzeit die Krötenzäune auf. Die Tiere werden gezählt, um einen Trend zu ermitteln. Die Entwicklungen an den Sammelstellen sind sehr unterschiedlich, es gibt Auf- und Abwärtstrends, aber auch stabile Bereiche. »Was im einzelnen die Ursachen sind, ist schwierig zu sagen«, sagt Ahnfeld. Gewisse Populationsschwankungen seien darüber hinaus normal. So gibt es an der Schlossstraße/Holter Straße bis 1998 einen stetigen Aufwärtstrend, seitdem ist die Zahl der gesammelten Tiere wieder rückläufig. Seit 1999 werden Zahlen für die beiden Sammelstellen getrennt ermittelt. 2004 war mit 316 gesammelten Tiere an der Holter Straße ein besonders gutes Jahr, 1999 wurden an der Schlossstraße 173 Amphibien gezählt, seitdem stagnieren dort die Zahlen mit genereller Abwärtstendenz.
Eine der möglichen Ursachen könnte die Qualität der Laichgewässer sein. Insgesamt sei die ökologische Qualität der Sammelteiche nicht zufriedenstellend, sagt Ahnfeld. Zu wenig Flachwasserzonen, zu wenig Ufervegetation und durch die Entenfütterung ein zu hoher Nährstoffeintrag. Eigentlich müssten die Teiche auch entschlammt werden. Die Stadt weist darauf hin, dass eine Entschlammung Mitte der 90er-Jahre stattgefunden hat. Da der Ölbach mittlerweile sehr viel sauberer sei, sei auch der Sedimenteintrag der Teiche nicht mehr so hoch.
Zufrieden ist Ahnfeld mit dem Zustand zwei kleinerer, vorgelagerter Teiche auf städtischem Gebiet und mit einem privaten Teich. Die Grasfrösche hätten sich in den letzten Jahren besser entwickelt als die Kröten. Übrigens: Die bisherigen Sammelergebnisse dieses Jahres sind sehr mager. Beispielsweise wurden vergangenen Donnerstag an der Schlossstraße nur fünf Kröten und drei Grasfrösche gezählt und an der Holter Straße kein einziges Tier, obwohl die klimatischen Bedingungen ideal sind. Vielleicht liegt es am milden Winter, aber sicher ist das nicht.

Artikel vom 03.03.2007