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Verschollene Chronik taucht auf

Zeitdokument über das Dorfleben in Mennighüffen ist zurück im Stadtarchiv

Von Malte Samtenschnieder
(Text und Foto)
Löhne (LZ). Nach einer 30-jährigen Odyssee befindet sich die Mennighüffener Chronik wieder im Besitz des Stadtarchivs Löhne. Abenteuerlich sind die Umstände, unter denen das Zeitdokument an seinen angestammten Platz zurückkehrte.

»Das muss die Chronik von Wilmanns sein«, schießt es Friedrich Schütte kurz vor Silvester durch den Kopf, als er die 224 Seiten starke Handschrift erstmals in Augenschein nimmt. Der Aufmerksamkeit und dem Verhandlungsgeschick des Löhner Heimatfreundes ist es wesentlich zu verdanken, dass das von Amtsschreiber Friedrich Wilhelm Wilmanns begonnene Protokoll des Mennighüffener Dorflebens für die Zeit von 1818 bis 1886 jetzt ins Stadtarchiv Löhne zurückkehrte.
»Die Mennighüffener Chronik verschwand aus unserem Bestand, als ein Professor aus Münster sie Anfang der siebziger Jahre zur privaten Auswertung ausliehen hat«, sagt Stadtarchivar Joachim Kuschke. Trotz mehrerer Nachfragen in der Folgezeit sei das wertvolle Zeitdokument mit einem Mal komplett von der Bildfläche verschwunden.
»Wie sich jetzt herausstellte, ist die Chronik bei einem Sammler in Tengern wieder aufgetaucht, der sich auf historische Handschriften spezialisiert hat«, ergänzt Friedrich Schütte. 1990 sei dieser zwischenzeitliche Besitzer verstorben. »Seine Erben verhökerten das wertvolle Buch daraufhin an einen Dachdecker, der am Dümmer See zu Hause ist«, so Schütte. Über einen weiteren Handschriften-Liebhaber aus Stemwede, kam schließlich der Kontakt nach Mennighüffen zustande.
»Als ich das Buch zum ersten Mal in der Hand hatte, wollte ich es eigentlich nicht wieder hergeben«, erinnert sich Friedrich Schütte. Doch die Verhandlungen mit dem Verkäufer erwiesen sich als schwierig. »Erst als ich ihm gesagt habe, dass ich die Chronik dem Stadtarchiv schenken will, hat sich mein Geschäftspartner auf eine dreistellige Verkaufssumme herunter handeln lassen.«
Zum Zirkel Eingeweihter, der von dem geplanten Rückkauf der Mennighüffener Chronik wusste, zählte neben Stadtarchivar Joachim Kuschke auch Gerd Pühmeier. In seiner Funktion als Präsident des Lions-Clubs Löhne stellte der Kulturfreund das Kapital für die Transaktion zur Verfügung. »Als ich erfuhr, worum es geht, war ich gerne bereit zu helfen - solch eine tolle Gelegenheit gibt es im Leben nämlich nur einmal.«
Für Heimatforscher bietet die Chronik wertvolle Informationen zur historischen Entwicklung Mennighüffens im 19. Jahrhundert. »Angefertigt wurde die Handschrift auf Erlass der königlichen Regierung in Minden«, sagt Joachim Kuschke. Ihr Sinn sei es gewesen, Buch zu führen über Unglücksfälle, Witterungsverhältnisse, Verbrechen, Feste und Steuereinnahmen. »Auch wurde jährlich die Zahl der Geburten, Todesfälle und Trauungen festgehalten.«
Außer der Beschreibung, wie gegen 1740 erste Kartoffeln in Mennighüffen angebaut und wie 1837 die maroden 500 Jahre alten Glocken eingeschmolzen wurden, enthält das Buch Einträge, die von Mord und Totschlag künden. Kuschke: »Im Jahr 1833 wurde ein Dieb vom Mob misshandelt und getötet, weil im Gefängnis kein Platz war. Im gleichen Jahr wurde ein Dienstknecht verhaftet, weil er eine Magd erwürgt haben soll.«
Um das wertvolle Zeitdokument der Allgemeinheit zugänglich zu machen, fahren die Heimatfreunde um Joachim Kuschke und Friedrich Schütte mehrgleisig. »Wir wollen die Chronik sowohl einscannen als auch komplett abtippen.« Dann sollen Auszüge in kurzen Aufsätzen veröffentlicht werden. Die Besonderheit des Materials unterstreicht Kuschke: »Die Mennighüffener Chronik ist die fundierteste Quelle, die wir für einen der Löhner Stadtteile aus dem 19. Jahrhundert haben.«

Artikel vom 01.03.2007