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Die Braven vorn, die Rüpel hinten

Schule vor 100 Jahren hautnah erlebt

Lübbecke (WB). »Der Kaiser ist ein lieber Mann, er wohnet in Berlin. Und wär' es nicht so weit von hier, so ging ich heut noch hin.« Das und natürlich noch vieles mehr mussten nicht nur die Kinder vor 100 Jahren lernen, sondern auch die Schüler der Klassen 3a und 3b der Grundschule Regenbogen, als sie jetzt die Museumsschule in Hiddenhausen besuchten.

Empfangen wurden sie in der Deele. Sie war das Herzstück der Lehrerwohnung und des Schulhauses insgesamt. Die Deele war groß genug, dass eingefahren werden konnte, was die Lehrerfamilie über das ganze Jahr versorgte: Getreide, Holz und Heu. Das war notwendig, denn als Lehrer verdiente man im 19. Jahrhundert nicht viel. Im Flur gab es Schürzen für die Mädchen und Holzschuhe für die Jungen.
Nun ging es in den Klassenraum. War das ein Gepolter. Vor 100 Jahren wäre das ein Grund gewesen, die Schüler zu bestrafen, nicht mit Nachsitzen oder Strafarbeiten, nein mit Schlägen. Endlich kam die Lehrerin. Früher durfte sie nicht verheiratet sein. Sobald sie heiratete, wurde sie entlassen. Alle Kinder mussten zur Begrüßung aufstehen und die Lehrerin laut und deutlich begrüßen. Übrigens saßen die guten und lieben Kinder vorn, die weniger guten bzw. die »Rüpel« hinten. Auf dem Pult lag der Zeigestock. Er war weniger zum Zeigen als vielmehr dazu bestimmt, kräftige Hiebe zu verteilen.
Alle Schüler übten das Schreiben mit einem Griffel auf der Schiefertafel, aber nicht, wie gewohnt in lateinischer Schrift, sondern in Sütterlin, der damals gebräuchlichen deutschen Schrift.
Nach dem Unterricht wurde die Wohnung des Lehrers besichtigt. Kaum vorstellbar, dass man vor 100 Jahren noch so lebte. Die Zimmer waren sehr klein und - bis auf die Küche - fast immer kalt. Drei Kinder mussten in einem Bett schlafen und die jüngsten im Bett der Eltern. Zu essen gab es jeden Tag »Durcheinander«. Heute nennen wir es Eintopf. Fleisch war Mangelware.
Spiele für die Kinder gab es kaum Warum auch? Sie mussten schließlich jeden Tag im Haus oder auf den Feldern mitarbeiten. Zum Spielen blieb da keine Zeit.
Nach etwa zwei Stunden war die Zeitreise vorbei. Sicher, es war spannend und interessant, aber schließlich waren doch alle froh, wieder zurück im 21. Jahrhundert zu sein.

Artikel vom 01.03.2007