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Der vergessene
Musical-Pionier

Gustave Kerker stammt aus Herford

Von Hartmut Horstmann
Herford (WB). Seine Musik wird nicht mehr gespielt, sein Name ist weitgehend vergessen. Dabei zählt Gustave Kerker zu den Pionieren des amerikanischen Musicals: Vor 150 Jahren wurde der vermutlich aus einer Schaustellerfamilie stammende Komponist in Herford geboren.
Gustave Kerker (1857 - 1923): Seine Familie wanderte nach Amerika aus, als er zehn Jahre alt war.
1867 wanderte die Familie Kerker in die Vereinigten Staaten aus. Sohn Gustave begann als Musiker in der »German Opera« in Louisville, schrieb im Alter von 22 Jahren seine erste Operette. Den Durchbruch brachte die Bekanntschaft mit dem damals bedeutenden Produzenten Edward E. Rice, der Kerker den Sprung an den Broadway ermöglichte. Fortan lebte der Komponist in New York - ein Journalist, der ihn im Jahr 1913 besuchte, beschrieb ihn als einen Mann, der es liebte, eine »fat Havana« nach der anderen zu rauchen. Zum Zeitpunkt des Interviews war Kerker groß im Geschäft. Seine Meinung zum damaligen Broadway-Trend, Wiener Operetten-Produktionen einzukaufen, galt etwas.
Mehr als 20 Titel umfasst die Liste der Musicals, für die Gustave Kerker die Musik geschrieben hat. Sein größter Erfolg wurde »The Belle of New York« aus dem Jahr 1897. Es handelt von einem Millionär, dessen Sohn Harry einen lockeren Lebenswandel pflegt. Weil sich der Vater als Präsident einer Vereinigung um junge Herumtreiber kümmert, kommt es zum Konflikt mit dem Sohnemann. Einer Salutistin bleibt es vorbehalten, den Tagedieb auf den richtigen Weg zu bringen.
Wegen seiner Thematik findet das Musical im Heilsarmee-Museum in Basel Berücksichtigung. Dort heißt es, »The Belle of New York« sei das erste amerikanische Musical mit internationalem Erfolg gewesen. Allein in London wurde es mehr als 700 Mal aufgeführt. In diesem Rahmen entstand vermutlich auch die Porträt-Postkarte von Gustave Kerker, welche die Herforder Historikerin Sonja Langkafel bei einem englischen Sammler aufgetrieben hat.
Für Langkafel ist das Jubiläum des vergessenen Herforders (kein Straßenname erinnert an ihn) ein guter Anlass, sich intensiver mit der Biographie des Komponisten. zu beschäftigen. Doch noch bleibt vieles im Dunkeln. Eine der bisher unbeantworteten Fragen: Hatte Gustave Kerker Nachkommen?
Dem Komponisten neues musikalisches Leben einhauchen will der Herforder Burkhard Schmilgun, Produzent beim Klassik-Label cpo. Um eine Produktion auf die Beine zu stellen, hat der ehemalige NWD-Musiker Kontakt mit Winfried Fechner, dem Leiter des WDR-Rundfunkorchesters, aufgenommen. Dieser hat seine Fühler in Richtung USA ausgestreckt, bemüht sich um das notwendige Notenmaterial. Läuft alles wie geplant, wird es in Köln zu einer Rundfunk-Aufführung kommen, die für eine CD-Veröffentlichung mitgeschnitten wird.

Artikel vom 28.02.2007