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Mehr Mitarbeiter als
jemals zuvor bei Syskoplan

Gütersloher gehören jetzt zur italienischen Reply-Gruppe

Von Stephan Rechlin
Gütersloh (WB). Als die börsennotierte italienische Reply-Gruppe im Dezember 2005 die Gütersloher Syskoplan AG übernahm, erwartete jeder den großen Schnitt. Synergien nutzen, doppelte Wege vermeiden, Personal abbauen. Es kam anders: Mit 553 Mitarbeitern beschäftigt die Syskoplan AG heute sogar mehr Mitarbeiter als jemals zuvor.

Dr. Manfred Wassel und Dr. Jochen Meier gehören immer noch dem Vorstand an und tragen auch immer noch die Verantwortung für das operative Geschäft. Die mit 63,7 Prozent dominierende Reply-Gruppe kassiert ihre jährliche Dividende, verzichtet aber auf einen Beherrschungsvertrag. Der hätte ihr ermöglicht, dem Vorstand verbindliche Weisungen zu erteilen. Dr. Manfred Wassel: »Ich bekomme keine Vorgaben und setze die Ziele für uns weiterhin selber.«
Der 1982 gegründete IT-Dienstleister entwickelt für große Unternehmen Softwarelösungen, die auf SAP- oder Microsoft-Standardprogrammen basieren, aber individuell angepasst werden. Die Firma versteht sich dabei vor allem auf Prozesse des Customer Relationship Managements (CRM), also Kundenpflege und effektiven Vertrieb. In der Krise der IT-Branche fiel der Wert der Syskoplan-Aktie von mehr als 20 auf fünf Euro. Der Referenzkunde Bertelsmann stellte sein IT-Konzept um und brauche Syskoplan nicht länger. Mit der Consultingtochter SAP SI wurde der bisherige Partner SAP zum Wettbewerber. In dieser Situation eröffnete Reply eine neue Strategie: das partnerschaftliche Netzwerk.
Danach kauft die Mutter - eine Holding - kleine IT- Agenturen, die sich in ihrer Nische spezialisieren und als Primus etablieren. Zum Reply-Netzwerk in Italien zählen 20 Unternehmen, die »operativ autonom« bleiben. Reply-Gründer Mario Rizzante will laut eigenem Motto »zukaufen ohne zu zerstören« und »entwickeln statt schlucken«.
Das Modell soll die Kreativität und Schnelligkeit kleiner Unternehmer mit den Vorteilen großer Konzerne verbinden. 2005 erwirtschaftete die Reply-Gruppe bei 145 Millionen Euro Umsatz einen Vorsteuergewinn von 18,8 Millionen Euro. Damit kann Reply Haftungsrisiken schultern, die für die Einzelgesellschaften zu groß wären. Auch teure Investitionen oder Übernahmen kann die Muttergesellschaft über die Börse leichter bedienen als die Töchter selbst.
Durch die Beteiligung an Firmen finanziert Reply immer wieder aufs Neue Versuche, lukrative Nischen im IT-Sektor zu besetzen - ohne Leistungsanreize zu verwässern. Die Firmeninhaber werden am Erfolg beteiligt, indem sie Anteile an der eigenen Firma sowie an der Holding halten. Durch die Vergleichsmöglichkeit der Töchter wächst der interne Wettbewerb.
Syskoplan will die Strategie der Italiener, ein nationales Netzwerk spezialisierter, renditestarker Unternehmen zu knüpfen, auf den deutschen Markt übertragen. Jüngster Erwerb ist die Münchener »Xuccess GmbH«. »Xuccess« ist auf Software für Banksteuerung und aufsichtsrechtliches Meldewesen spezialisiert und hat im vergangenen Geschäftsjahr mit 40 Mitarbeitern 7,6 Millionen Euro umgesetzt.
Zum Gütersloher Unternehmen gehören bereits die Töchter »is4« (Softwarelösungen für die Konsumgüterindustrie) und »cm4« (IT-Dienstleistungen für Direktmarketing, Medien, Druck). Seit Januar sind drei weitere Dienstleister aus der Informationstechnologie hinzugekommen: Die »macrosInnovation GmbH« (München) bietet IT-Lösungen für Sachbearbeiter in Banken und Versicherungen an. Die »Interactiv GmbH & Co. KG« (Köln) ist Spezialist für mobile Kundenkommunikation. Die Neugründung »disco-very.sysko GmbH« unterstützt Rundfunk- und Medienunternehmen bei der Digitalisierung.
Dezentralisierung, Mitarbeiter, die Verantwortung übernehmen und sich entfalten können - die Idee hinter Reply erinnert Wassel an seinen ehemaligen Arbeitgeber, den Bertelsmann-Konzern. Wassel empfiehlt das Modell anderen Mittelständlern. Diese könnten über das Netzwerk sogar ihr Nachfolgeproblem lösen, ohne ihre Firma preiszugeben oder sich völlig zurückziehen zu müssen: »Meine Firma gehört mir zwar nicht mehr. Aber ich trage noch immer die Verantwortung und erlebe gerade die spannendste Zeit im Unternehmen.«

Artikel vom 24.03.2007