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Gottesdienst wird zum MVA-Protest: »Herr, erbarme dich!«

In Bad Lippspringer Kirche tragen sich 100 Gläubige in Protestlisten ein

Von Karl Pickhardt (Text und Fotos)
Bad Lippspringe (WV). »Wir bitten dafür, dass die Leute, die für die Müllverbrennungsanlage sind, frühzeitig zur Vernunft kommen«. In solchen und ähnlichen Fürbitten und Gebeten haben in einem ungewöhnlichen Gottesdienst junge Christen in Bad Lippspringe mit Vikar Jörg Seip um die Wahrung der Schöpfung gebetet. Ein Gottesdienst wird zum MVA-Protest. Widerstand im Gotteshaus.

»Bad Lippspringe ist ein Kurort - und der Wind bringt schlechte Luft«, ist Laura Köneke die Zukunft ihrer Heimat keineswegs gleichgültig. Sie steht nicht allein: Die 14-Jährige Bad Lippspringerin aus dem neuen Jugendliturgiekreis besucht an diesem Abend mit vielen Jugendlichen den Gottesdienst in der kleinen Maximilian-Kolbe-Kirche. 120 Menschen drängen sich in den Bänken.
In der Messe dreht sich alles um Natur, ihre Zerstörung - und eben die MVA in Paderborn. Vikar Jörg Seip widmet seine Predigt dem Thema Versuchung. Der Seelsorger wird wie Erzbischof Hans-Josef Becker deutlich und warnt vor der Versuchung, zu schweigen.
Schweigen wollen die Christen in Bad Lippspringe nicht. Jugendliche wie Bastian Meyer (16), Judith Köffer (15) oder Tobias Szarkowicz (17) rufen am Altar noch vor dem Schlusssegen von Vikar Seip in sieben »Nein-Punkten« dazu auf, sich in die Protestlisten gegen die geplante MVA in Paderborn-Mönkeloh (zwölf Kilometer von der Maximilian-Kolbe-Kirche entfernt) einzutragen. Die Jugendlichen sagen »Nein« zu einer unzureichenden Filtertechnik, »Nein« zur Schadstoffbelastung, »Nein« zum Verbrennen von schwerbelastetem Gewerbemüll oder »Nein«, wenn Profit mehr zähle als Gesundheit. Sie sagen auch »Nein« dazu, dass sich »Wenige gegen den Willen und auf Kosten Vieler durchsetzen möchten«. Ungewohnte Töne am Altar.
Gemeindereferent Thomas Wendland (37) legt nach und erinnert an den 5. März als letzte Chance, Einwendungen gegen die MVA in Mönkeloh zu erheben: »Die Proteststimme aus Bad Lippspringe ist wichtig, denn wir sind als heilklimatischer Kurort in besonderem Maße von einer sauberen Luft abhängig«. Der Aufruf verfehlt seine Wirkung nicht. Mehr als 100 Gläubige tragen sich in die Protestlisten ein, die im Kirchenraum ausliegen.
Es ist ein Gottesdienst der Gefühle, in dem Tobias Szarkowicz vom Bad Lippspringer Jugendliturgiekreis mit einem Kurzfilm zum Lied »What a wonderful world« (Was für eine wunderbare Welt) einstimmt und schöne Bilder aus der Natur mit Delfinen, Wasser, Wäldern, Palmen und Meer einstimmt. Die Gläubigen stimmen das Lied »Die Erde ist schön« an. Wenig später ein Kurz-Videofilm der Kontrast: Qualmende Schornsteine, Müll und verdörrte Landschaften.
Das Kyrie ist an diesem Abend hochpolitisch und brisant. Eine Jugendliche betet: »Sie sagen, es geht um Energie - und sie vergiften die Luft. Und nun zerstören sie Tiere, Menschen und Pflanzen durch Umweltverschmutzung«. Die Bad Lippspringer Gemeinde antwortet: »Herr, erbarme dich . . .«.

Artikel vom 27.02.2007