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Ver.di vergleicht MZG mit DDR-Politik

Fehlentscheidungen und sechs Geschäftsführer - Gute Mitarbeiter »flüchten«

Bad Lipppringe (pic). Eklatante Fehlentscheidungen der Geschäftsführung und Gesellschafter sind nach Auffassung der Gewerkschaft Verdi mitverantwortlich für die Krise im hoch verschuldeten Medizinischen Zentrum für Gesundheit (MZG) in Bad Lippspringe.

Die Gewerkschaft reagierte mit ihrem Vize-Geschäftsführer Axel Gerland am Freitag auf Erklärungen von Landrat Manfred Müller, der zur Rettung des MZG und Vermeidung einer Insolvenz erneut einen Verzicht der 750 Beschäfgtigten auf Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Lohnerhöhungen ins Gespräch gebracht hatte. Gerland erinnerte daran, dass MZG-Mitarbeiter in den vergangenen Jahren bereits durch Lohnverzicht mindestens 2,5 Millionen Euro aufgebracht hätten.
Gerland nennt den Bau des teuren Therapiezentrums schon in Krisenzeiten mit jahrelangem, kostenintensivem Leerstand eine Fehlentscheidung. Weitere Fehler seien Klinikzusammenlegungen und Schließung von florierenden Abteilungen wie »Chronologisch-obstruktive Atemwegserkrankungen« in der Teutoburger Wald Klinik gewesen. Gerland: »Hier wurden genau die Patienten behandelt, die durch die Luftblasensynergieeffekte mit einer Pergamongesellschaft vor wenigen Monaten aus dem Ruhrgebiet nach Bad Lippspringe gelockt werden sollten«. Zwischen blühenden Stiefmütterchen dümpele das Ruinenszenario des einst viel versprechenden Allergie-Lehrpfades mit Ausbau-Potential im Park von Bad Lippspringe. Zur Expo 2000 habe man noch vollmundig den Anspruch auf Europas Allergiebad erhoben. Statt auf neue Indikationen zu setzen oder gute Fachdisziplinen zu verstärken fordere das so genannte Sanierungskonzept lediglich den Griff in die Taschen der Mitarbeiter. Viele hoch qualifizierte Fachkräfte, so Gerland, hätten das Unternehmen schon verlassen, »weil sie keine Lust mehr auf die Unternehmenspolitik des MZG hatten«.
Verdi fragt, wieviel Geld der häufige Wechsel hoch dotierter Geschäftsführer und ein »aufgeblähter Verwaltungsapparat« verschlungen hätten. »Wenn wir uns nicht verrechnet haben, leitet seit 1980 inzwischen der sechste Geschäftsführer das MZG«, so Gerland. In Bad Lippspringe schaffe man als Geschäftsführer ohne nachhaltige Ergebnisse noch den Sprung auf den nächsten guten Posten. Die Tarifverhandlungen mit der MZG-Führung zeigen nach Gerlands Angaben derzeit wenig Bewegung. Der Kreis, der mit 16 Prozent am MZG beteiligt ist, hatte dem Unternehmen bis zum 31. März eine Frist zur Vorlage eines Sanierungskonzepts auch mit Senkung von Personalkosten gestellt. Die Bildung von Profitcentern in den Kliniken sieht Gerland kritisch, weil Chefärzte keine betriebswirtschaftlichen Fachkenntnisse hätten.
Vize-Verdi-Geschäftsführer Axel Gerland verglich am Freitag das »MZG-Szenario« mit der Wirtschaftspolitik in der ehemaligen DDR. Das Zentralorgan lenke selbstherrlich von oben und entscheide fernab jeder Realität. Belange an der Basis, Alltagsnöte oder reale Gegebenheiten in den Kliniken störten offenbar nur im Denkmuster.
Das Mitarbeiter-Volk, so Gerland, habe dem Fünfjahresplan ohne Widerstand zu folgen, »um am Ende (der Insolvenz) dann aber bitte nicht auch noch einen Ausspruch ähnlich Erich Mielkes zu hören: ÝWir haben Euch doch alle nur geliebtÜ!«

Artikel vom 24.02.2007