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Seit 70 Jahren wirbeln
die Trommelstöcke

Mit 85 Jahren ist Konrad Menne dienstältester Musiker

Von Marion Neesen
Thüle (WV). Noten, die braucht Konrad Menne nicht. »Die will ich auch gar nicht mehr lernen«, sagt der Trommler vom Spielmannszug Thüle. Er spielt einfach nach Gehör. Und dass dies wunderbar klappt, dafür ist der Thüler selbst lebender Beweis. Denn würde der 85-Jährige sonst seit stolzen 70 Jahren die Stöcke schwingen? Im Landesmusikverband jedenfalls ist das einmalig.

Erste Reihe, vorne rechts, das ist Konrad Menne; inmitten seiner Musikkameraden, wenn sie bei Schützenfesten und anderen Feiern durch die Straßen marschieren und die Leute mit ihrer zünftigen »Knüppelmusik« erfreuen. Trotz seines beachtlichen Alters hält der 85-Jährige problemlos Schritt. »Das Marschieren macht mir nichts aus«, sagt der Thüler, und seine Ehefrau Resi weiß, warum ihr Mann so fit ist: »Schließlich geht er jeden Tag mit dem Hund raus. Das hält ihn in Schwung.« Ob bei drückender Hitze oder im Regen -Ê solange Konrad Menne sich nicht beklagt, traut sich auch keiner seiner Mitspieler zu stöhnen. Nur wenn es extrem kalt ist, dann setzt der engagierte Trommler schon mal aus, weil ihm dann die Füße zu schaffen machen; die waren ihm in russischer Gefangenschaft erfroren.
Eigentlich schlägt Konrad Menne viel länger als 70 Jahre die Trommel in Thüle. Denn schon vor dem Krieg, seit 1906, gab es im Dorf einen Schülerspielmannszug, in dem auch der kleine Konrad mitmachte. Von seinem älteren Bruder Josef übernahm Menne, jüngstes von zehn Kindern, das Instrument und ließ schon als Zehnjähriger so manchen Trommelwirbel hören. »Mein erster Ausmarsch war 1933 nach Anreppen zu den Reichs-Jugendwettkämpfen«, erinnert sich der Musiker. In den Spielmannszug der Großen eintreten konnte er aber noch nicht. »Ich war noch keine 18, da durften wir auch nicht in die Wirtschaft, sonst hätten wir kräftig eins hinter die Ohren bekommen«, lacht Menne. 1937 wurde er schließlich Mitglied.
Dann kamen der Krieg und vier Jahre Kriegsgefangenschaft. Als Konrad Menne eingezogen wurde, war er gerade 19 und wurde schon am ersten Tag nach Russland geschickt. Krank und angeschlagen kehrte der gelernte Schuhmacher in die Heimat zurück, fand bald Arbeit beim Möbelhersteller Nolte und sofort wieder zur Musik zurück.
Sein Bruder Josef war gefallen, aber die Trommel gab es noch. »Das Instrument an sich hat sich gar nicht sehr verändert, nur früher war die Trommel mit Naturfellen bezogen und durfte nicht nass werden«, erzählt der 85-Jährige.
Geprobt wird immer freitags, vor besonderen Herausforderungen auch zusätzlich sonntags. Das ist für Konrad Menne seit 70 Jahren so. Und er ist ein disziplinierter Musiker. »Kein Bock« gibt es für ihn nicht. »Er hat fast immer 100 Prozent, wenn am Ende des Jahres die Probenbeteiligung abgerechnet wird. Gefehlt hat er nur, wenn er krank war«, sagt Ehefrau Resi, und die muss es wissen; schließlich ist sie seit 1955 an seiner Seite und trägt nicht nur die Musikleidenschaft ihres Mannes mit, sondern auch die Verantwortung für eine perfekt sitzende Uniform. Doch, wer einen Musiker liebt, muss auch Verzicht üben. »Fünf Schützenfeste im Jahr und das immer drei Tage, mein Mann ist ganz schön viel unterwegs«, sagt Resi Menne, »aber was will man machen?« Hinzu kam noch der Fußball. Als Verteidiger oder Mittelläufer spielte Menne in der ersten Mannschaft; bis 1956, dann machten die Knie nicht mehr mit.
Das Schönste an der Musik ist für Konrad Menne immer, wenn der Verein bei einem Wettstreit gut abschneidet. Lieblingsstücke hat der Trommler nicht. »Neue Stücke, die spielt man immer gern«, will der 85-Jährige noch so Einiges lernen - ohne Noten versteht sich. Denn ans Aufhören denkt er noch nicht. »So lange es noch Spaß macht und die Gesundheit mitspielt«, lacht der Thüler Musik-Oldie, »außerdem hält es jung, wenn man viel mit dem jungen Volk zusammen ist.«
Im Mittelpunkt steht Konrad Menne zwar nicht gern, hat auch nie einen Posten im Verein übernommen, doch für seine 70-jährige aktive Mitgliedschaft im Spielmannszug Thüle erhielt er jetzt besondere Auszeichnungen. Und wenn die Thüler »Knüppels« im Sommer wieder die Schützenfeste begleiten, sollte man einen Blick auf den Trommler vorne rechts werfen und vielleicht einen Extra-Applaus spendieren.

Artikel vom 23.02.2007