21.02.2007 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

In der Passage zur Zentralstation fanden (v.l.) Sebastian Dunst, Niklas Neuwöhner, Dennis Masur (alle 17), Helena Böddeker, Astrid Dudzik und Johannes Schulz (alle 16 / fehlt auf dem Bild) den hilflosen Stefan S. (35). Die Jugendlichen bezahlten gemeinsam das Taxi und sorgten dafür, dass der Mann ins Brüderkrankenhaus St. Josef kam. Foto: Hub. Hartmann

Diese jungen Leute sind Vorbilder

Sie kümmerten sich um einen hilflosen Passanten - Taxi statt Snacks bezahlt

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WV). Viele schauen einfach weg, rümpfen die Nase und gehen schnell weiter. Sechs Jugendliche aus Paderborn verhielten sich anders, sie halfen einem Hilflosen.

Freitagabend, kurz vor 22 Uhr. Die Westernstraße ist beinahe menschenleer. Niklas Neuwöhner, Sebastian Dunst, Astrid Dudzik (alle 17) und Johannes Schulz (16) haben einen netten Abend in ihrer Lieblingskneipe verbracht und wollen mit dem Bus nach Hause fahren. Durch die Einkaufsstraße gehen sie in Richtung Zentralstation, als sie in der Passage zwischen Kaufhof und Klingenthal auf Helena Böddeker (16) und Dennis Masur (17) treffen. Die beiden reden auf einen Passanten ein, der anscheinend Probleme hat.
»Auf dem Weg zum Busbahnhof haben wir ihn getroffen«, erzählt Helena. »Der hatte sich an ein Schaufenster gelehnt und schien kurz vor dem Zusammenklappen.« Offensichtlich leidet der Unbekannte unter starken Schmerzen, wird immer wieder von Weinkrämpfen geschüttelt.
Drei der jungen Leute tragen ihn zu einer Bank, Niklas ruft über sein Handy die Notrufnummer 112 an. Behutsam reden die Jugendlichen auf den Mann, Mitte 30, ein. »Der drohte zu hyperventilieren, wir haben versucht, ihn zu beruhigen«, berichtet Sebastian. »Aber der wollte absolut nicht, dass wir einen Krankenwagen rufen.«
Stockend, scheinbar verworren, schildert der Fremde, er sei Hartz-IV-Empfänger und nicht versichert. Er sei vergangenen Monat schon zweimal im Krankenhaus gewesen und habe jetzt 1500 Euro Schulden. Der Transport im Krankenwagen koste über 100 Euro, das könne er sich nicht leisten.
In diesem Moment erscheint der Rettungswagen auch schon mit Blaulicht am Einsatzort. Zwei Rettungsassistenten kümmern sich um den Hilflosen. »Wahrscheinlich eine schwere Thrombose, er muss auf jeden Fall ins Krankenhaus«, so die Diagnose eines Sanitäters. Sie nehmen die Personalien des Mannes auf Ñ Stefan S., 35 Jahre alt, aus Lichtenau. Weil Stefan S. wegen der Kosten Ñ es sind genau 108 Euro Ñ aber partout nicht in das Blaulichtfahrzeug einsteigen will, rücken die Rettungsassistenten unverrichteter Dinge wieder ab, raten aber: »Er kann ja mit dem Taxi fahren, das ist billiger«.
Dazu können die Jugendlichen Stefan S., der sich inzwischen etwas beruhigt hat, überreden. »Eigentlich wollten wir noch eine Kleinigkeit essen, aber dann haben wir zusammengelegt, ein Taxi gerufen und dem Stefan die Fahrt bezahlt«, sagt Niklas. Im Brüderkrankenhaus bestätigt sich der Thrombose-Verdacht. Über eine Stunde hat der abendliche Samariter-Einsatz von Dennis, Astrid, Helena, Johannes, Sebastian und Niklas gedauert. Jetzt können sie mit einem guten Gefühl nach Hause fahren. »Eigentlich war das doch selbstverständlich«, sind die »Helden des Alltags« sich einig.

Artikel vom 21.02.2007