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Stunk wegen Amtsketten-Satire

Satire, die: Kunstgattung (Literatur, Karikatur, Film), die durch Übertreibung, Ironie und Spott an Personen oder Zuständen Kritik übt, sie der Lächerlichkeit preisgibt, Zustände anprangert, mit scharfem Witz geißelt. Das ist die Definition laut Konrad Duden und der Vorsitzende des Stukenbrocker Karnevalsvereins (SKV), Dietmar Gertz, stellte eine Erklärung, was Satire ist, an den Anfang des Auftritts des »Zeitungslesers« Karl Keßler.
Das macht neugierig. Als Hintergrund muss man sagen, dass vor zwei Wochen die Prunksitzung als Generalprobe mit geladenen Gästen schon mal über die Bühne ging. »Ganz schön heftig«, sei Keßlers Büttenrede gewesen, raunt jemand, der dabei war. Was dem Publikum Samstag geboten wurde, war eine entschärfte Version.
Was war passiert? Keiner mag es offen sagen. Vom Bürgermeister Hubert Erichlandwehr, der bei der Generalprobe dabei war, nicht aber bei der Prunksitzung, sei der Stunk nicht ausgegangen, versichert ein Vorstandsmitglied des SKV. Der Bürgermeister sei durch und durch Karnevalist.
Die Amtsketten-Satire ist ein Politikum geworden. Unbestätigte Gerüchte besagen, im Rat der Stadt sei beschlossen worden, dass man darüber (über die Amtskette) nicht reden darf. Ob das stimmt, weiß man nicht, man erzählt es sich nur.
Das Satiremagazin »Titanic« und die Kölner Stunksitzung, die seit 24 Jahren den Kölschen Klüngel und das Establishment aufs Korn nimmt, haben den Druck »von oben« heftig gespürt. Der konnte ihnen aber den Buckel runter rutschen. Die Meinungsfreiheit ist im Grundgesetz verankert und »eine Zensur findet nicht statt«. Die Satire ist als Kunstform geschützt - Juristen müssen sich immer wieder damit auseinandersetzen, ob Satire noch Satire ist oder schon Beleidigung oder Schlimmeres.
Nun könnte Karl Keßler auf einen Maulkorb pfeifen, wäre er nur Karl Keßler. Nun ist er aber auch noch Bediensteter der Stadtverwaltung, stellvertretender Ordnungsamtsleiter und Marktmeister. Und dann mag der Rat der Stadt meinen, er sei der Chef Keßlers - und bekanntlich sollte man die Hand, die einen füttert, nicht beißen.
Helau, wir haben Karneval. Das ist nicht nur die Zeit der Verkleidungen und derben Späße. Es ist die Zeit der verbalen Abrechnung. Das kann man nett und freundlich tun und tut damit keinem weh, das kann man aber auch ironisch-böse tun. Karl Keßler spießt als »Zeitungsleser« alles auf, treibt es intellektuell auf die Spitze. Nicht jeder kann darüber lachen, manchen bleibt das Lachen auch im Halse stecken, bei anderen fällt der Groschen langsam. Solange Keßler über Ekelfleisch, Vogelgrippe, Weltmeisterschaft, Alt-Kanzler Helmut Kohl, »die Birne mit einer jungen Dirn'«, und Nutten-Hartz herzieht, lieben ihn alle. Aber wehe, er kommt den heimischen Akteuren zu nahe!
Beste Strategie, spöttische Angriffe im Karneval zu überstehen, ist, sie lächelnd und kommentarlos hinzunehmen. Alles andere zeigt nur, dass die Satire den wunden Punkt getroffen hat und damit berechtigt ist. Für seinen Mut und die spitze Zunge sollte Keßler die SKV-Ehrenkette 2008 bekommen. Monika Schönfeld

Artikel vom 19.02.2007