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Unterhaltszahler sauer auf die Ex-Partnerin

ARGE erhält viele Schwindel-Tipps - Überprüfung von Leistungsempfängern ist schwierig

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WV). Mike S. ist eigentlich ein friedliebender Zeitgenosse. Doch wenn er auf seine Ex-Frau und deren neuen Partner zu sprechen kommt, dann steigt ihm die Zornesröte ins Gesicht. »Die zocken den Staat ab, leben wie die Made im Speck, und ich muss jeden Cent umdrehen«, zürnt der 34-Jährige.

S. ist überzeugt, dass seine Ex und ihr Neuer gemeinsam in einer Wohnung leben und sie trotzdem das volle Arbeitslosengeld II bezieht. »Das habe ich der ARGE auch schon mitgeteilt, aber die melden sich für ihre Kontrollen an und finden dann natürlich nichts.«
Ende 2003 haben sich Mike S. und seine Frau getrennt, seit einem halben Jahr sind sie geschieden. »Immerhin muss ich seit der Scheidung nur noch für meine Tochter Unterhalt zahlen«, kann er dem Ganzen zumindest etwas Positives abgewinnen. Als Kraftfahrer - er fährt nachts Obst und Gemüse aus - verdient S. rund 1400 Euro netto. Davon muss er 300 Euro Tilgung - »Schulden aus meiner Ehe und ein Arbeitgeberdarlehn« - zahlen, die Miete für seine kleine Kellerwohnung beträgt 350 Euro, seine Tochter erhält 256 Euro: macht zusammen 906 Euro. »Ein Auto brauche ich ebenfalls, um zur Arbeit zu kommen, nachts fahren nämlich keine Busse, und leben muss ich auch noch irgendwie«, hadert S. mit seiner Situation. »Ich weiß echt kaum, wie ich rumkommen soll.«
Seine Verflossene lebe dagegen mit ihrem Partner zusammen, der an einer kleinen Firma beteiligt sei. Sie arbeite auf 400-Euro-Basis und bekomme den vollen Satz Arbeitslosenunterstützung. »Die hat Geld fürs Nagelstudio, die machen zusammen zwei Wochen Urlaub in Ägypten, und ich kann mir mit meiner Kleinen gerade mal eine Woche auf dem Zeltplatz leisten«, klagt der Paderborner.
Susanne Niggemeier, stellvertretende Geschäftsführerin der ARGE, kann die Verärgerung von Mike S. nachvollziehen. »Von ehemaligen Lebenspartnern, die sich ausgebeutet fühlen, erhalten wir sehr häufig Hinweise auf verschwiegene Bedarfsgemeinschaften.« Allein der Nachweis sei recht schwierig. Natürlich passierten Hausbesuche zur Kontrolle - sie dürfen überhaupt nur bei »begründetem Verdacht« erfolgen - stets unangemeldet. »Aber wenn unsere Außendienstler zwei, drei Mal niemanden antreffen, muss eben ein Termin vereinbart werden.« Sie wisse selbst, dass die Leute dann genügend Zeit hätten, ihre Wohnung umzuräumen. Zudem sind die gesetzlichen Befugnisse der Kontrolleure beschränkt. Niggemeier: »Sie dürfen keinen Druck ausüben, und Betroffene können ihnen den Zutritt verweigern.«
Auch in dem geschilderten Fall sei das ARGE-Team mit der Begründung abgewiesen worden, es halte sich eine fremde dritte Person in der Wohnung auf. »Das ist stets eine Gratwanderung, die Persönlichkeitsrechte der Leistungsempfänger dürfen nicht verletzt werden«, erläutert Niggemeier. Mike S. hat für die Gesetzeslage wenig Verständnis. »Ich bin in 18 Jahren nicht einen Tag arbeitslos gewesen und weiß trotzdem kaum, wie ich rumkommen soll - das ist doch nicht in Ordnung«, sagt er.
Im Kreis Paderborn zahlt die ARGE jeden Monat rund zehn Millionen Euro an Leistungsempfänger nach Hartz IV aus.

Artikel vom 28.03.2007