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Die poetische Kraft Bob Dylans

BAP-Gründer Wolfgang Niedecken zollt seinem Vorbild in Beverungen Tribut

Beverungen (WB). Mit seinem Programm »Wolfgang Niedecken liest und singt Bob Dylan« gastiert der BAP-Gründer am 31. März in der Stadthalle Beverungen. Über Literatur, Poesie, Krisen und Come-Backs sprach WESTFALEN-BLATT-Redakteur Wolfgang Braun mit Wolfgang Niedecken.

In Ihren musikalischen Anfängen waren Sie der Kölner »Südstadtdylan«. Was hat Sie an Ihrem Vorbild so fasziniert?
Wolfgang Niedecken: Als ich mit 15 in einer Schüler-Band Bass gespielt habe, hatte mir unser Sänger den Dylan-Song »Like A Rolling Stone« vorgespielt. Plötzlich war alles anders. Das war für mich der Urknall. Mir war klar, ich werde in Zukunft singen und Songs schreiben.

Was speziell war das, was Sie so begeistert hat?
Wolfgang Niedecken: Davor habe ich mir keine Gedanken gemacht über Poesie, über Gedichte, über Kultur überhaupt. Mich sprach an Dylan-Texten ihr Bilderreichtum an, ihre Kraft. Das hat meine Augen und Ohren geöffnet, meine Sinne wachgeküsst.

Haben Sie Bob Dylan persönlich getroffen
Wolfgang Niedecken: Ja, Wim Wenders, der einen Film über uns gedreht hat, hat uns vorgestellt. Dylan und er sind miteinander befreundet. Unsere Begegnung war auf einer sehr privaten Ebene und sehr angenehm.

Welche Songs von Bob Dylan haben Sie an dem Abend in Beverungen im Angebot?
Wolfgang Niedecken: Ich mache keine Greatest-Hits-Veranstaltung, wie wir sie bei den Rockmusicals Marke Queen oder ABBA erleben. Ich streue in die Lesung der Bob-Dylan-Autobiografie »Chronicles« die Songs ein, von denen ich glaube, dass sie etwas mit dem Gelesene zu tun haben. Da kann auch mal ein großer Hit dabei sein. Ich glaube aber, dass viele Leute auch manche Bob-Dylan-Songs dann zum ersten Mal zu hören kriegen. Ich werde das in einer sehr kargen Form vortragen. Deshalb werden mich viele Leute so gut verstehen, wie nie vorher: Ich singe kein Kölsch und es gibt auch keine laute Rock-and-Roll-Band, die meinen Gesang übertönt.

Bob Dylan wurde stark von den Autoren der Beat Generation wie Jack Kerouac und Allen Ginsberg beeinflusst? War das auch bei Ihnen so?
Wolfgang Niedecken: Ja. Bei mir kam das aber auf dem Umweg über Dylan. Ich habe mich dann auch mit ihnen befasst. Wenn man sich intensiv mit Dylan beschäftigt, kommt man auch an Josef Conrad nicht vorbei oder an John Steinbeck. Er ist kulturell ein sehr interessierter Mensch. Wenn man seine Stücke aufmerksam hört, wird man das bemerken.

Bob Dylan, der als politisch engagierter Folksänger beispielsweise mit Joan Baez Erfolge feierte, wird als ausgesprochen anpassungs- und wandlungsfähig beschrieben. Haben Sie seine Schwenks immer verstanden und für gut befunden?
Wolfgang Niedecken: Anpassungsfähig - das würde ich nun aber absolut bestreiten. Der Mann hat immer nur das gemacht, was er selbst wollte. Er hat sich einen Scheiß darum gekümmert, was andere von ihm erwarteten. Aber: Er hat viele Haken geschlagen. Er hat immer dann, wenn er das Gefühl hatte, jetzt will man mich vereinnahmen, Wandlungen vollzogen, die keiner für möglich gehalten hätte. Er hat sich damit auch in die Nesseln gesetzt. Dylan hat auch hier und da ein schlechtes Album abgeliefert. Aber er ist kein Gewohnheitstier, sondern hat sich immer wieder neu erfunden.

Nennen Sie ein Beispiel.

Wolfgang Niedecken: Es gab eine Phase, wo er drei schlechte Alben hintereinander gemacht hat und viele dachten, da wird nichts mehr kommen, das ist jetzt gegessen. Dann hat er wieder mit einem Album, mit »Oh Mercy«, 1989 alle überrascht. Dessen Entstehungsprozess wird auch ausführlich in der Autobiographie »Chronicles«, aus der ich lese, geschildert. Da hatte ihn Bono dazu überredet, ins Studio zu gehen und endlich die Songs aufzunehmen, die er bis dahin zu Hause nur als geschriebene Gedichte herumfliegen hatte. Das hat er gottseidank gemacht.

Wo hat diese Bewunderung für den »Einstein der Musik« - wie Sie sagen - ihre Grenzen?
Wolfgang Niedecken: Die hat ihre Grenzen, wenn ich merke, dass mein verehrter und sehr geschätzter Bob Dylan Murks abliefert.
Dann sage ich das auch. Ich habe mir eine kritische Distanz immer bewahren können. Ich eigne mich nicht zum fanatischen Gefolgsmann.

Sie lesen vor ausverkauften Häusern. Wie erklären Sie sich die wiedererwachte Dylan-Begeisterung?
Wolfgang Niedecken: Bob Dylan hat ja mit seinen letzten drei phantastischen Alben, so auch mit »Modern Times«, 2006 ein beachtliches Alterswerk vorgelegt. Man kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. So ein großartiges Album wie »Time Out Of Mind« von 1997 kriegt man nur mit der Entspanntheit, der Erfahrung und der poetischen Kraft eines Bob Dylan hin. Das respektieren auch die, die sehr lange skeptisch waren. Deshalb hat er einen Grammy gekriegt und wurde wieder zum Literaturnobelpreis vorgeschlagen. Ich hoffe, dass er ihn endlich bekommt.
Karten im Vorverkauf beim WESTFALEN-BLATT Höxter unter Tel. 05271-972824

Artikel vom 16.02.2007